Kolumne: Warum ein gutes Buch als +1 auf jede Dinnerparty gehört

Für Kolumnistin und Literatur-Expertin Isabell Stiller gehört nicht nur eine gute Flasche Wein oder selbst gemachtes Fingerfood als Mitbringsel auf jede Party dazu, sondern auch ein Buch.

Ein gutes Buch kann der perfekte Eisbrecher auf so ziemlich jeder Party sein, findet Literatur-Expertin und Kolumnistin Isabell Stiller.

© Guillaume de Germain/Unsplash

Ich liebe Dinnerpartys. Das Problem: In meinem Kopf male ich mir die Abende oft spektakulärer aus, als sie letztendlich sind. Denn nicht immer haben guter Wein, leckeres Essen oder die Konstellation der anwesenden Menschen den gewünschten Effekt als Eisbrecher. Damit die Feier in Gang kommt, ist nicht selten ein Hilfsmittel notwendig. Und für mich ist das seit einiger Zeit immer öfter ein Buch.

Wie ein 08/15-Dinner mich auf das Bücherregal gebracht hat

Neulich war ich zur Dinnerparty einer Freundin in Hamburg Winterhude eingeladen. Mein Mann war an diesem Tag beruflich verhindert. Im Nachhinein kann ich sagen, dass ich es auch gerne gewesen wäre. Denn die "ach so tolle" Dinnerparty war ziemlich fad - bis auf das Essen und die Getränkeauswahl, versteht sich. Bei einer Dinnerparty müssen jedoch nicht nur Steak, Soße und Beilage miteinander harmonieren, sondern eben auch die anwesenden Gäste. Das ist (ähnlich wie der Garpunkt beim Lachsfilet) nur leider nicht immer so leicht vorherzusehen...

Und so war es dann auch an jenem besagten Abend: Die Gäste kauten still und heimlich auf ihrer Pasta herum, die Musik plätscherte im Hintergrund vor sich hin und nach "Heute ist das Wetter ja wieder soo schlecht", "Wann fahrt ihr in den Urlaub?" gefolgt von einem "Du musst mir unbedingt das Rezept verraten" war das Smalltalk-Kontingent für den Abend auch schon aufgebraucht, noch bevor es die Hauptspeise mit uns an Tisch geschafft hat. Um so einen Abend ganz schnell zu Ende zu bringen, könnte man natürlich ganz einfach Bauchschmerzen oder einen Notfall daheim vortäuschen. (Die Katze, der Hund, das Baby...) Oder aber, man bringt ein Buch als +1 mit und legt es demonstrativ auf den Tisch!

„Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns“

„Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns“, hat Franz Kafka einmal gesagt. Oder in meinem Fall eben der Eisbrecher auf der Dinnerparty. So absurd die Idee im ersten Moment auch klingen mag, sie funktioniert tatsächlich. Einige Wochen später flatterte eine neue Einladung der besagten Bekannten aus Winterhude ins Haus. Sie wollte die Angelegenheit wohl nicht auf sich sitzen lassen. Diesmal war ich vorbereitet - und hatte nicht nur meinen Mann, sondern auch ein Buch im Schlepptau. 

Meine Wahl fiel an diesem Abend auf "Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen" der Autorin Philippa Perry. Gerade als das Dinner wieder in ödes Smalltalk-Geplapper abzudriften drohte, holte ich den Joker aus meiner kleinen Baguette Bag hervor. Aus den neugierigen, verwirrten und auch fragenden Blicken wurde jedoch ziemlich schnell eine angeregte Diskussion, die dem Abend eine völlig neue Dynamik gab. Als hätte ich den Schlüssel für ein längst vergessenes Tor gefunden. Seither hat neben Lippenstift, Parfüm, Handcreme und Kaugummi auch immer ein guter Schmöker einen festen Platz in meiner Handtasche.

Ob wir durch Instagram, Homeoffice, WhatsApp und auch die Pandemie verlernt haben, richtig zu kommunizieren? Vielleicht. Umso schöner ist doch die Gewissheit, dass es oft die kleinen Dinge im Leben sind, die Großes vollbringen können. Probieren Sie es am besten gleich mal aus!

Über Kolumnistin Isabell Stiller

Redakteurin und Literaturexpertin Isabell Stiller hat eine Schwäche für guten Tee – und gute Bücher. Zu ihren Lieblingsautor:innen zählen unter anderem Jack Kerouac, Joan Didion, Frank O’Hara, Leïla Slimani, Patti Smith und Chris Kraus. Ob aufstrebende Autor:innen, längst vergessene Klassiker oder echte Geheimtipps. In ihrer Kolumne "Handverlesen" teilt sie bei FÜR SIE jeden Monat ihre aktuellen Gedanken und Fragen – und verrät dazu Ihre besten Buchtipps.

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