Kolumne: Warum ich nichts von Bestsellern halte

Bestsellerlisten? Lässt unserer Kolumnistin und Literaturexpertin Isabell Stiller gerne links liegen. Sie vertraut lieber auf ihre Intuition, statt mit dem Strom zu schwimmen.

Ein Buch und eine Tasse Kaffee

Um Bestseller macht Kolumnistin und Literaturexpertin Isabell Stiller lieber einen Bogen.

© Foto: Sarolta Balog Major/Unsplash

Gut und schlecht - liegen nah beieinander

Wie findet man eigentlich ein richtig gutes Buch, das einen nicht mehr loslässt und die Zeit völlig vergessen lässt? Diese Frage stellen wir Freunde, Familie und Bekannte wirklich ständig, wenn sie auf der Suche nach frischem Lesestoff sind. Manch einer würde dann vermutlich sagen: Na, in den Bestseller-Listen von Spiegel bis Amazon - und natürlich auf Instagram und TikTok. Was es dort in die engere Auswahl schafft, kann schließlich nur gut sein, oder etwa nicht?

Die Suche nach einem guten Buch ist keine einfache. Denn was macht ein gutes Buch überhaupt aus? Wenn wir mal ehrlich sind, dann lässt sich das tatsächlich gar nicht so genau sagen. Ob wir ein Buch gut oder schlecht finden, hat nämlich in erster Linie mit dem persönlichen, nicht aber dem Eindruck der Masse zu tun. Klingt plausibel, aber auch ich habe lange gebraucht, um das zu verstehen.

In den Fängen der Hype-Spirale

Wer auf der Suche nach einem guten Buch ist, macht sich entweder im Freundeskreis oder in der Buchhandlung des Vertrauens auf die Suche. Oder erledigt die Suche nach dem neuen Lieblingsbuch ganz bequem über Instagram, TikTok oder namhafte Bestseller-Listen. Die letzten drei Optionen klingen zwar unheimlich praktisch und verlockend, haben aber einen großen Haken: Wir laufen ziemlich schnell Gefahr, direkt in die gefürchtete Hype-Spirale abzudriften. Eine Spirale, die vollgestopft mit Büchern ist, die so omnipräsent in Stories, Reels und Fotos geteilt werden, dass es kein Entkommen mehr gibt. Voller Impulsivität landen die besagten Bücher dann in unserem Warenkorb oder werden in der Stamm-Buchhandlung vorbestellt. Muss ja gut sein, denken wir uns noch. Und kaum haben wir die ersten Seiten gelesen, lässt die Wahrheit nicht selten in Form einer saftigen Ohrfeige grüßen: Das gehypte Buch ist alles andere als gut. Autsch! 

Lieber eine eigene Meinung bilden

Auch ich habe mich in der Vergangenheit ziemlich oft von solchen Hype-Büchern verführen lassen. Verteufeln möchte ich sie aber trotzdem nicht. Sonst wäre ich vermutlich nie auf Dolly Alderton oder Coco Mellors aufmerksam geworden. Ganz zu schweigen von Ocean Vuong. Und dennoch: Der richtige Umgang ist entscheidend - und der nötige Abstand beim Blick in die Bestseller-Liste und Booktok Community. Wichtig dabei ist, den Meinungen zu diesen Büchern nicht zu viel Raum zu geben und sich dabei auch noch in fantastisch ausgeschmückten Luftschlössern zu verlieren. Die lassen einen meistens nur frustriert zurück. Das gilt übrigens auch für Bewertungen zu Büchern, die von Presse und Publikum regelrecht zerrissen werden...

Büchern mit miesen Bewertungen ruhig mal eine Chance geben

Zugegeben, auch ich kann nicht widerstehen, die Rezensionen der anderen Leser:innen zu studieren. Ich finde es sogar unheimlich spannend, was andere so beim Lesen denken. Das war's aber auch. Wer sich zu sehr darin verliert, dem entgeht womöglich die Chance auf ein neues Lieblingsbuch. Gleiches gilt für die Bestseller-Listen. Was Ihnen gefällt, das muss noch lange nicht mir gefallen. 

Ob uns ein Buch gefällt oder nicht, das können letztendlich doch nur wir entscheiden. Nicht Betty84 auf Amazon oder Leseratte3's Instagram-Feed und ihre 500.000 Follower:innen!

Die "Handverlesen"-Buchtipps im Dezember

Japan, Seelenfutter, Lieblingsfilme... Die Buchtipps für den Dezember sind ein buntes Potpourri, mit dem bestimmt auch Sie sich die dunkle Jahreszeit gleich ein wenig schöner lesen können.

1. Sofia Coppola Archive

Ob Lost in Translation, The Virgin Suicides, Marie Antoinette oder Priscilla. Ich liebe, liebe die Filme von Sofia Coppola und freue mich immer wie ein Schneekönig, wenn die 52-Jährige ein neues Projekt ankündigt. Wer mich und meine Filmvorlieben kennt, weiß, was dieses Jahr ganz oben auf meinem Wunschzettel steht: Sofia Coppola Archive. Ein Bildband, der das Schaffen der Regisseurin auf 488 Seiten zusammenfasst.

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2. Be Your Own Healer von Susanne Abbassian Korasani

Im vergangenen Jahr habe ich mich sehr intensiv mit den Selbstheilungskräften des Körpers und dem, was Mutter Natur uns bietet, auseinandergesetzt. Schön, dass auch andere Menschen diese Gedanken teilen - und zu Papier bringen. Mit Be Your Own Healer von Susanne Abbassian Korasani starte ich 2024 genauso energiegeladen und positiv wie ins Jahr davor.

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3. Die Töchter des Bärenjägers von Anneli Jordahl

Bereits nach den ersten Seiten von Anneli Jordahls Roman Die Töchter des Bärenjägers wusste ich: Dieser Roman ist etwas ganz Besonderes und hat einen Platz in meiner Top 10 sicher. Jordahl erzählt die Geschichte von den sieben Töchtern eines Bärenjägers, die auf einem abgelegenen Bauernhof in den finnischen Wäldern aufwachsen. Das Leben mit und in der Natur scheint perfekt. Bis zu dem Tag, an dem die Eltern sterben und die Töchter plötzlich auf sich alleine gestellt sind. Auf der Flucht vor den Behörden ziehen sie sich tiefer in den Wald zurück; sammeln Pilze und Waldfrüchte. Auf einem kleinen Markt kratzen sie mit Bärenfellen Geld zusammen. Doch wie lange können sie dieses Leben führen? Ein unglaublich einfühlsamer und spannender Roman über das Erwachsenwerden.

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4. Porridge Season has begun von Aendre

Ein Buchtipp mit Herzensangelegenheit: Das Hamburger Café Ændrère zählt zu meinen allerliebsten Lieblingsorten. Das Essen, die Atmosphäre... Hier stimmt wirklich alles! Wie viele andere Gastronom:innen hat es aber auch Ændrè nicht leicht: Corona, Mehrwertsteuer und die Inflation haben ihre Spuren hinterlassen. Damit Ændrè auch weiterhin das Lieblingscafé vieler Hamburger bleiben kann, benötigt Besitzerin Janine unsere Unterstützung - via Crowdfuning und Bestellungen im Shop, beispielsweise in Form eines Gutscheins; oder dem liebevoll gestalteten Frühstücks-E-Book Porridge Season has begun mit vielen leckeren Rezepten aus dem Ændrè-Kosmos; inklusive Saisonkalender, Tipps zur Vorratskammer und Morgenroutine.

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5. Gute Nacht, Tokio von Atsuhiro Yoshida

Tokio, nachts um eins: Eine Filmrequisiteurin, eine Telefonseelsorgerin, ein Privatdetektiv, eine angehende Schauspielerin und ein Barkeeper treffen sich, um über das Leben zu sinnieren, zu träumen und sich zu erinnern. An den Taxifahrer Matsui, den Imbiss "Drehkreuz" und vieles mehr. Wie gern wäre ich Teil dieser Runde! Mit Gute Nacht, Tokio hat Atsuhiro Yoshida ein sehr unterhaltsames Kammerspiel im Buchformat geschaffen, das ich jedem Fan japanischer Literatur ans Herz lege.

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6. Yellowface von Rebecca F. Kuang

Bis Yellowface von Rebecca F. Kuang erscheint, dauert es zwar noch ein wenig, diesen Buchtipp sollten Sie sich aber schon jetzt unbedingt fürs neue Jahr vormerken. June Hayward und Athena Liu könnten beide aufstrebende Stars der Literaturszene sein. Dem ist natürlich nicht so. Während es für die chinesisch-amerikanische Athena gut läuft, hat June das Nachsehen. Dann wird June Zeugin davon, wie Athena bei einem Unfall stirbt - und wittert ihre Chance, um es ins Literatur-Olymp zu schaffen: Sie stiehlt Athenas gerade vollendetes Manuskript - und veröffentlicht es unter ihrem neuen Künstlernamen Juniper Song...

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