
Tipps für eine entspannende Kur
Nachts lag sie oft schlaflos da, tagsüber fühlte sie sich chronisch erschöpft: Lehrerin Carola Halbritter (44) hatte zu lange geglaubt, sie könne alles locker hinkriegen: Janne (7) und Frieda (6) eine gute Mutter sein, im Job das Beste geben und den Haushalt schmeißen. Doch vor allem ihr Sohn Janne, der mit Down-Syndrom auf die Welt kam, forderte mehr Energie, als sie noch übrig hatte. „Als ich immer schwächer wurde, übernahm mein Mann mehr und mehr Aufgaben“, so die Kasselerin, „aber selbst sein enormer Einsatz konnte die Abwärtsspirale nicht stoppen.“
Ihr Arzt schrieb sie krank. So kam sie zwar nicht zur Ruhe, aber zu einer Einsicht: Eine Kur zum gezielten Wiederaufbau wäre das Richtige. Mit ihrem Mann Thilo, der so eine Therapie auch dringend nötig hatte, beantragte sie eine Familien-Kur. Erst lehnte ihre Krankenkasse ab, doch die beiden blieben dran und ihr Widerspruch hatte Erfolg. Am Ende fuhren alle vier Familienmitglieder in die Mutter-Kind-Klinik Saarwald im Saarland, die auch auf die Behandlung behinderter Kinder spezialisiert ist. „Ein Volltreffer! Janne bekam seine gewohnte neurophysiologische Therapie“, sagt Carola Halbritter, „und wir wieder mehr Kraft und Vertrauen ins Leben.“ Viele Leute wissen nicht, dass sie das Recht auf eine Kur haben. Wir sagen, welche Möglichkeiten es gibt – und wie Sie drankommen.
WAS GENAU ERWARTET EINEN BEI DER KUR?
Ein Team aus Ärzten, Therapeuten, Psychologen, Ernährungsberatern (und bei der Eltern-Kind-Kur auch Erziehern) betreut die Patienten persönlich. Jeden Tag stehen eine bis fünf Anwendungen auf dem Programm, maßgeschneidert für das eigene Krankheitsbild. Dabei hat jede Klinik spezielle Therapieschwerpunkte, zum Angebot zählen meist auch Gruppengespräche. Carola Halb ritter: „In meiner Kur eroberte ich mich Stück für Stück zurück. Ich hatte mich selbst über die Jahre gnadenlos vergessen. Dort lernte ich, abzuschalten, und weiß jetzt, wie heilsam es ist, auch mal egoistisch zu sein.“
Welche Kur passt zu mir?
WELCHE KUR PASST ZU MIR?
Eltern-Kind-Kuren tun Müttern und Vätern gut, die wie die Halbritters extrem belastet sind – durch Burnout, eine Trennung oder weil sie pflegebedürftige oder behinderte Kinder zu versorgen haben. „Anspruch haben auch Patchwork- Familien“, betont Kerstin Fischer von der Beratungsstelle Kur + Reha, einer Tochtergesellschaft des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Baden-Württemberg. „Die Antragssteller müssen nicht die leiblichen Eltern sein, wenn das ‚neue‘ Elternteil die Erziehung eines Kindes übernommen hat“, so Fischer. In Mutter-Kind-Kliniken wird jedes Familienmitglied individuell therapiert. Auch gesunde Kinder, für die es zu Hause keine Betreuung gibt, dürfen Mutter oder Vater begleiten. Die Kur dauert drei Wochen.
Vorsorgekuren sollen schlimmere Erkrankungen verhindern, wenn man zum Beispiel bereits unter Erschöpfung, Bluthochdruck oder Übergewicht leidet. Sie sind auch geeignet für Eltern, die ihre Kinder zu Hause lassen können. Man quartiert sich dafür auf eigene Kosten in einem anerkannten Kurort oder Heilbad ein, wohnt also in einem Hotel oder einer Ferienwohnung, und wird im Gesundheits- oder Kurzentrum behandelt. Diese „Badekuren“ oder „Kururlaube“ dauern zwei bis drei Wochen.
Kompaktkuren sind für Patienten konzipiert, bei denen ihr Arzt davon ausgeht, dass sie mehr Aussicht auf Heilung haben, wenn sie gemeinsam mit anderen therapiert werden. Hier kuren Teilnehmer mit ähnlichen Krankheitsbildern in der Gruppe und profitieren so auch vom Erfahrungsaustausch. Kompakt heißen die dreiwöchigen Kuren, weil sie eine „hohe Therapiedichte“ versprechen – also einen vollen Stundenplan. Sie werden zu festen Terminen in Badeorten angeboten, die Unterkunft wählt man auch hier selbst aus.
Was zahlt die Krankenkasse
WAS ZAHLT DIE KASSE?
Mutter- oder Vater-Kind-Kuren finanziert die Krankenkasse komplett bis auf einen Eigenanteil von 10 Euro pro Tag. „Bei ambulanten Vorsorge programmen, zu denen auch die Kompaktkuren zählen, übernimmt die Kasse die Kosten für sämtliche medizinischen Behandlungen“, sagt Michaela Hombrecher von der Techniker Krankenkasse. Und damit den Großteil der Therapie. Patienten zahlen 10 Euro für jede Verordnung des Kurarztes sowie 10 Prozent für Heilmittel wie Massagen und medizinische Bäder. Die Unterkunft bestimmt und finanziert man selbst. Auch für die Verpflegung, Kurtaxe sowie An- und Abreise kommt man auf – wird dafür allerdings von der Krankenkasse bezuschusst, wenn die Kur mindestens 14 Tage dauert.
BIN ICH WÄHREND DER KUR KRANKGESCHRIEBEN?
Wer „vorsorglich“ eine Kur macht, gilt als arbeitsfähig und muss Urlaub einreichen. „Viele unserer Kunden verbinden ihre Ferien ganz bewusst mit einer Vorsorgekur“, sagt Michaela Hombrecher von der TK. So eine Kur ist übrigens auch im Ausland möglich. Patienten, die wie bei der Eltern-Kind-Kur in einer Klinik untergebracht sind, werden allerdings krank geschrieben und haben Anspruch auf Lohnfortzahlung oder Krankengeld. Hombrecher empfiehlt, zwischen einer solchen Kur und dem Wiedereinstieg in den Job eine Woche Urlaub zu nehmen, „um den Übergang in den Alltag sanfter zu gestalten.“
Antworten rund um den Antrag
WIE STELLE ICH EINEN ANTRAG?
Formulare gibt’s bei der Krankenkasse oder einer Beratungsstelle per Post oder Download im Internet. Dann ist der Hausarzt gefragt: Er stellt fest, welche Therapien notwendig sind, welche Art von Kur sich empfiehlt und füllt ein Attestformular aus. Das reicht der Versicherte mit seinem Antrag bei der Kasse ein. Dann ist Geduld gefragt: Nach ein bis zwei Monaten erhält man Nachricht, ob die Kosten übernommen werden.
WAS TUN, WENN DER ANTRAG ABGELEHNT WIRD?
Cool bleiben und innerhalb eines Monats schriftlich Widerspruch einlegen – es lohnt sich! „Aus Statistiken des Deutschen Müttergenesungswerks wissen wir, dass 32 Prozent der Anträge zunächst abgelehnt werden“, so Kerstin Fischer von Kur + Reha. „Wenn man gegen die Ablehnung Widerspruch einlegt, so führt das mit einer Wahrscheinlichkeit von 56 Prozent zu einer Genehmigung.“ Der deutsche Heilbäderverband teilt mit, dass sogar 80 Prozent der abgelehnten Anträge auf ambulante Vorsorge nach Widerspruch akzeptiert würden.
Beratungsstellen
WER HILFT, WENN MAN DIE KUR SOFORT BRAUCHT?
- Arbeiterwohlfahrt Kurberatungs-Hotline Tel. 0 18 03/34 47 23 (9 Cent pro Minute) www.gesundheitsserviceawo.de
- EVA Evangelischer Fachverband für Frauengesundheit e. V. www.eva-frauengesundheit.de
- Katholische Arbeitsgemeinschaft für Müttergenesung e. V. Tel. 01 80/1 40 01 40 (3,9 Cent pro Minute) www.kag-muettergenesung.de
- Kur + Reha Tel. 08 00/2 23 23 73 (kostenfrei), www.kur.org
Eines kann ihnen keiner abnehmen: den Besuch beim Hausarzt. Empfiehlt er dringend eine Kur, können Beratungsstellen (siehe rechts) die Abwicklung übernehmen. Sie reichen den Antrag an die Krankenkasse weiter und bitten darum, dass er bevorzugt bearbeitet wird. So kann eine Kur auch einmal schneller bewilligt werden.
