
Kein Stechen, kein Ziehen, keine Schmerzen – lange spürt man nichts von einem erhöhten Blutdruck. Es geht den Betroffenen zu Beginn sogar erstaunlich gut. Oft wird der Befund deshalb nur zufällig bei einer Routineuntersuchung gestellt. Dafür, dass Bluthochdruck häufig einen so unscheinbaren Anfang hat, nimmt das Volksleiden einen beträchtlichen Platz im Gesundheitsetat der Bundesrepublik ein: Zehn Prozent der Arzneimittel-Ausgaben gehen jedes Jahr auf die Hochdruckbehandlung. Das macht rund drei Milliarden Euro.

WAS SIND DIE AUSLÖSER VON HYPERTONIE?
Nach einer Untersuchung des Robert- Koch-Instituts muss jeder Zweite in Deutschland damit rechnen, früher oder später unter zu hohem Druck zu stehen. Heute weiß man, dass rund zehn Prozent der Hypertonie-Fälle auf Nierenund Nebennierenleiden zurückgehen. „Bei den restlichen 90 Prozent spielen zwei Faktoren eine Rolle: genetische Veranlagung und Umwelteinflüsse“, erklärt Privatdozent Dr. Karl Wagner, Hochdruckspezialist an der Asklepios Klinik in Hamburg-Barmbek. Amerikanische Forscher haben zudem untersucht, wie hoch das Risiko ist, wenn die Eltern bereits daran leiden. Das Ergebnis: Die Gefahr von Bluthochdruck steigt um 50 bis 80 Prozent, wenn ein Elternteil betroffen ist. Haben beide Bluthochdruck, erhöht sich das Risiko sogar um 140 Prozent.
WIE ERKENNT MAN HYPERTONIE?
WIE ERKENNT MAN HYPERTONIE?
Im Anfangsstadium gar nicht, es sei denn, man kontrolliert regelmäßig die Werte. Kopfschmerzen, Nasenbluten, Schwindel, Konzentrationsstörungen oder Atemnot sind jedoch Warnsignale, die ein Arzt beurteilen sollte. Liegen die Werte im Ruhezustand bei 120/80 mmHg (Millimeter-Quecksilbersäule), ist alles in Ordnung. Dabei beschreibt der erste Wert den sogenannten systolischen Druck, der in den Gefäßen herrscht, wenn das Herz gerade pumpt. Der zweite Wert heißt diastolischer Wert und gibt den Druck zwischen den einzelnen Herzschlägen an. Die Daten – auch bei Gesunden – können variieren. So ist der Druck im Winter meist höher als im Sommer, weil die Gefäße sich zusammenziehen, um keine Wärme zu verlieren. Nachts ist der Blutdruck in der Regel niedriger, weil im Schlaf keine Stresshormone produziert werden. Es hängt aber nicht nur vom Zeitpunkt der Messung ab, sondern auch von der Situation. „Beim Arzt kann es zur sogenannten Weißkittel- Hypertonie kommen, weil der Patient aufgeregt ist und das den Druck steigen lässt“, so Wagner. Am besten ist es, vorher zehn Minuten zu entspannen und die Werte im Sitzen von einer Sprechstundenhilfe messen zu lassen. „Bei einer Apothekenmessung fehlt häufig diese Ruhe. Und wenn man selbst misst, kann es ohne eine Schulung zu Ungenauigkeiten kommen.“
IST DAS RISIKO BEI FRAUEN UND MÄNNERN GLEICH?
IST DAS RISIKO BEI FRAUEN UND MÄNNERN GLEICH?
„Bluthochdruck ist zwar immer Bluthochdruck, aber Frauen reagieren anders als Männer“, erklärt Wagner. Bis zur Menopause sind nur relativ wenig Frauen betroffen, aber mit den Wechseljahren fällt der Hormonschutz weg. „Dann überholen die Frauen die Männer sogar.“ Das geht häufig einher mit Gewichtszunahme, einem Anstieg der Blutfettwerte und des Blutzuckers. Aber auch in jüngeren Jahren, wenn Frauen die Antibabypille nehmen und rauchen, sind sie gefährdet. „Deshalb sollte zu jedem Besuch beim Gynäkologen eine Blutdruckmessung gehören, egal wie alt die Frauen sind.“ Wenn der Arzt die Messung nicht von sich aus anbietet, rät der Experte, gezielt danach zu fragen.
WAS SIND DIE FOLGEN, WENN MAN NICHT GEGENSTEUERT?
WAS SIND DIE FOLGEN, WENN MAN NICHT GEGENSTEUERT?
Bekannt sind die Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System. Am häufigsten führt chronischer Bluthochdruck zu Arterienverkalkung. Wer die Hypertonie zu lange ignoriert, riskiert lebensbedrohliche Krankheiten: Schlaganfall, Herzinfarkt, Niereninsuffizienz, Bauchaorten- Aneurysma oder Sehstörungen bis hin zur Erblindung. Weniger bekannt ist, dass Hypertonie auch die männliche Potenz gefährden kann und dass das Gedächtnis darunter leidet. Eine mögliche Spätfolge ist Demenz.
MUSS JEDE HYPERTONIE BEHANDELT WERDEN?
MUSS JEDE HYPERTONIE BEHANDELT WERDEN?
Man unterscheidet fünf gängige Stoffklassen bei Bluthochdruck-Medikamenten. Die Auswahl orientiert sich an der Verträglichkeit und Begleiterkrankungen des Patienten.
ACE-Hemmer: Vermindern die Bildung des Hormons Angiotensin 2, das Gefäße verengt. Schützt Nieren, geeignet für Diabetiker. Häufige Nebenwirkung: Reizhusten.
AT-1-Antagonisten: Ähnliche Wirkung wie ACE-Hemmer, aber teurer. Besonders für Patienten, die ACE-Hemmer nicht vertragen. Kaum Nebenwirkungen, weniger Reizhusten.
Betablocker: Senken Blutdruck, weil sie die Wirkung von Stresshormonen hemmen. Gut auch bei Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen. Nachteil: erhöhte Diabetes-Gefahr.
Diuretika: Verringern Blutvolumen. Günstig bei gleichzeitiger chronischer Herzschwäche. Nachteil: Ähnlich wie Betablocker erhöhen sie die Diabetes-Gefahr.
Kalzium-Antagonisten: Hemmen den Einstrom von Kalzium in die Zellen und weiten so die Gefäße. Der Sauerstoffbedarf sinkt, gleichzeitig bekommt das Herz mehr Sauerstoff.
WAS KANN MAN TUN, UM SICH ZU SCHÜTZEN?
WAS KANN MAN TUN, UM SICH ZU SCHÜTZEN?
„Bluthochdruck ist eigentlich keine Erkrankung, es ist vielmehr unsere Reaktion auf die Umwelt“, sagt Wagner. Deshalb ist die Veränderung des Lebensstils ein entscheidender Faktor, um hohen Blutdruck zu vermeiden oder leicht erhöhten zu reduzieren. Für Wagner ist das größte Problem der Salzkonsum. „Wir nehmen jeden Tag im Schnitt zwölf Gramm Salz zu uns. Unser Körper braucht aber nur die Hälfte.“ Deshalb rät er von übersalzenen Speisen ab – speziell von Fertigprodukten. „Wir müssen uns im Grunde fit machen für die Umwelt.“ So können Übergewichtige, wenn sie fünf Kilo abnehmen, damit genauso viel erreichen wie mit einem blutdrucksenkenden Medikament. Durch Entspannungstechniken wie Yoga und Tai Chi kann man zudem Stress und auch Bluthochdruck abbauen. „Ideal wäre es, sich auf eine Südseeinsel zurückzuziehen, auf der es keinen Fernseher und kein salzhaltiges Essen gibt. Aber das ist wohl kaum möglich“, meint Wagner.
