Umgang mit Besserwissern: Wie überzeugen wir Menschen, die es eh besser wissen?

Es gibt sie wirklich, die Sorte Mensch, die alles besser weiß. Über den richtigen Umgang mit Besserwissern und wie Sie diese überzeugen, erklärt Sprechwissenschaftlerin Marie-Theres Braun im FÜR SIE Interview. 

Eine Frau ist ganz ruhig und übt sich im Umgang mit Besserwissern

Gelassenheit ist eine der Kernkompetenzen im Umgang mit Besserwissern.

© Anna_Isaeva / iStock

Diesen Klassiker kennen wohl die meisten von uns: Während einer Diskussion haben wir einen regelrechten Blackout, und erst hinterher fallen uns die besten Argumente ein – worüber wir uns dann natürlich maßlos ärgern.

So ein Blackout passiert, wenn wir emotional aufgeladen sind. Stress macht dumm! Wenn wir angespannt sind, uns angegriffen fühlen oder es um ein Thema geht, das uns sehr wichtig ist, kann das zu sehr starken Emotionen führen. Auf unsere Vernunft können wir dann nicht mehr zugreifen. Dann ist es wichtig, an der Emotionsregulation zu arbeiten

Außerdem: Die meisten Sprüche, die uns im Nachhinein einfallen, dienen dem Zweck, dem anderen eins auszuwischen. Hätten wir die Situation damit wirklich deeskaliert? Vermutlich nicht.

FÜR SIE: Wie gelingt es, im Gespräch mit Besserwissern Ruhe zu bewahren?

Da hilft eine Übung: Reden Sie öfter mit Kotzbrocken! Wer sich immer nur mit Gleichgesinnten umgibt, läuft Gefahr, die eigenen Gesprächskompetenzen zu verlernen. Und: Ich rate immer dazu, öfter das Einzuatmen und vor allem das Ausatmen zu verlängern. Gönnen Sie sich ruhig Pausen.

 Auch wenn wir gelernt haben, dass wir in drei Sekunden schlagfertig kontern müssen, um kompetent zu wirken: Ich sage: Nein, lassen Sie sich da nicht drauf ein! Es geht nicht um Schlagfertigkeit, es geht um Souveränität. Und die stellt sich nicht ein, indem wir uns verkrampfen und uns unter Druck setzen.

 

"Reden Sie öfter mit Kotzbrocken! Wer sich immer nur mit Gleichgesinnten umgibt, läuft Gefahr, die eigenen Gesprächskompetenzen zu verlernen."

Marie-Theres Braun

FÜR SIE: In Ihrem Buch raten Sie zu „Emotional Labeling“. Was genau meinen Sie damit?

Das ist nichts anderes, als Gefühle zu benennen – zum Beispiel, indem ich sage: „Oha, du bist ja ganz schön wütend gerade. Was macht dich denn so zornig?“ Emotionen sind wie ein prall gefüllter Luftballon, und wenn ich sie anspreche, pikse ich in den Ballon, die Luft entweicht, und vielleicht ist wieder ein normales Gespräch möglich. 

Wenn jemand aber weiterhin cholerisch tobt, hilft es, die Notbremse zu ziehen und eine Pause zu machen. Und wenn er sowieso schon sehr von Befindlichkeiten genervt war, die sonst sehr wertvollen Ich-Botschaften meiden – denn die würden den Wüterich gleich noch mehr auf die Palme bringen.

FÜR SIE: Welche Rolle spielt die Körpersprache dabei?

Eine sehr große. Denn durch Körpersprache können wir eskalieren oder deeskalieren. Vorsicht: Oft hören wir den Rat, unserem Gesprächspartner in die Augen zu schauen, weil das Präsenz und Aufmerksamkeit signalisiert. Allerdings kann genau das in einer Streitigkeit eskalieren. 

Ähnlich wie bei Tieren, die sich zum Kampf aufstellen. Besser: Leicht die Schulter öffnen, sodass man mit seinem Gegenüber in einem entspannten Dreieck steht. So hebeln Sie das Problem aus, nicht zwischen sich, sondern scheinbar gemeinsam davor. Darum macht es auch im Meeting Sinn, zu der Person, mit der man die meisten Probleme hat, über Eck zu sitzen. Das machen viele bei wichtigen Verhandlungen falsch.

"Es macht Sinn, in Meetings mit der Person, mit der man am meisten Probleme hat, über Eck zu sitzen. Das machen viele bei wichtigen Verhandlungen falsch."

Marie-Theres Braun

FÜR SIE: Und wie stelle ich die Augenhöhe wieder her, wenn mich jemand von oben herab behandelt?

In so einem Fall rate ich zur „Ich-Diät“: Wenn wir uns machtlos fühlen, verfallen wir oft in Sätze wie ‚Ich wollte nur fragen, ob…‘ oder ‚Ich halte es für sinnvoll, dass…‘. 

Untersuchungen zeigen, dass Menschen mit niedrigerem Status zu diesen Ich-Sätzen tendieren, während diejenigen mit einem höheren Status eher Sie- oder Wir-Sätze wählen. „Wir" wirkt immer machtvoller als „Ich". Darum ist die „Ich-Diät" eine tolle Methode, um sich sprachlich auf Augenhöhe zu heben. 

FÜR SIE: Was ist die „Gerade weil"-Methode, und wie können wir sie für uns nutzen? 

Das ist eine meiner Lieblingstechniken und perfekt für Menschen, die ihre eigenen Argumente oft vergessen und schnell denken, der andere hat ja eigentlich recht. Denn ich nehme das Argument, das mir entgegengeflogen kommt, drehe es um und nutze es so für mich. 

Ein Beispiel? "Sie kommen ja aus einem ganz anderen Bereich. Sie können da gar nicht mitreden!" wird umgewandelt in „Gerade weil ich aus einem anderen Bereich komme, habe ich einen frischen Blick auf das Problem". Probieren Sie es mal aus! 

FÜR SIE: Aber wie ist das bei politischen Diskussionen im Familienkreis? Da fällt es ja noch schwerer, auf der sachlichen Ebene zu bleiben. 

Je besser wir jemanden kennen, umso emotionaler sind die Streitereien. Darum sollten Sie bei solchen Diskussionen keinen zu hohen Anspruch an sich selbst haben. Setzen Sie das Ziel niedrig, indem Sie die Person gar nicht überzeugen wollen, sondern nur Ihre Meinung danebenstellen wollen - und das möglichst sympathisch, denn wir lassen uns am ehesten von Freunden überzeugen. 

Und Uberzeugung passiert nicht über Nacht, sondern mit der Zeit. Darum ist es wichtig, seine Meinung immer wieder zu sagen und krasse politische Parolen nicht unkommentiert im Raum stehenzulassen.

"In jedem Gespräch sollte es nicht das Ziel sein zu überzeugen, sondern die bestmögliche Lösung zu finden."

Marie-Theres Braun

FÜR SIE: Wie gelingt es uns denn, die Endlosschleife von Argument und Gegenargument zu durchbrechen? 

Indem man Fragen stellt, statt immer wieder neue Argumente auf den Berg zu werfen - damit bringe ich die andere Person aus ihrer Rechtfertigungshaltung heraus. Angenommen, es geht um das Thema Gendern und mein Gegenüber sagt: „Gendern klingt schrecklich!" - dann kann ich fragen: „Und wenn es besser klingen würde, wie würdest du dann darüber denken?" Ich stelle Fragen, statt Aussagen zu machen. Damit wird mein Gegenüber auch Offener. 

Und vielleicht lerne auch ich, dass die Idee des anderen gar nicht so schlecht ist. Denn in jedem Gespräch sollte es nicht das Ziel sein zu überzeugen, sondern die bestmögliche Lösung zu finden. Und das muss nicht die sein, die ich mir vorher überlegt habe. 

Interview: Michaela Puschmann 

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der FÜR SIE 3/24