
Die Geburtstagsparty sollte im kleinen Kreis stattfinden. Doch plötzlich standen 80 Leute vor der Tür und wollten mitfeiern. Wie es dazu kam? Anna, 38, hatte auf Facebook „Pinnwand“ mit „Nachricht“ verwechselt. Die Eingabe „Eine Nachricht senden“ hätte nur ihre engsten Freunde erreicht. Doch auf der virtuellen Pinnwand war die Einladung plötzlich für alle ihre Facebook-Bekannten sichtbar. Annas Geschichte ist eine Geschichte, wie sie das Internet schreibt: Online-Netzwerke wie Facebook, MySpace oder Xing nutzten 2009 bereits mehr als 740 Millionen Menschen weltweit, allein bei Facebook melden sich laut insidefacebook.com täglich 700 000 neue Nutzer an. Und längst vorbei sind die Zeiten, dass vor allem Teenager die Seiten besuchen. Die Betreiber verzeichnen stattdessen ein immer stärkeres Interesse bei den über 35-Jährigen. Aber was genau fasziniert alle so daran, zur verlinkten Gesellschaft zu gehören? Welche Vorteile bringt das – und welche Nachteile? Wirtschaftspsychologin Miriam Paetzold, 36, ist seit vier Jahren bei Xing angemeldet. Ähnlich wie das Portal LinkedIn ist Xing eine Website, bei der berufliche Kontakte im Vordergrund stehen. „Für mich bedeutet Xing eine enorme Arbeitserleichterung“, sagt Miriam Paetzold, „weil ich keine Akquise mehr machen muss. Stattdessen melden sich viele Kunden bei mir, weil sie mein Profil in dem Portal gefunden haben.“ Ilona Hundhammer, 30 Jahre alt, stöbert lieber auf Facebook. „Meine Handykosten sind seitdem rapide gesunken. Früher habe ich meine Freunde einzeln angerufen, wenn ich sie treffen wollte. Heute kann ich allen gleichzeitig über Facebook eine kostenlose Nachricht schicken“, erzählt die Erzieherin.
„Inzwischen organisiere ich meine gesamte Freizeit über die Website. Das spart enorm viel Zeit.“ Ein weiterer Pluspunkt sei „der große Spaß“. Sie guckt sich gern die Fotos ihrer Freunde an, schreibt lustige Kommentare dazu. Laut Norbert Bolz, Professor für Medienwissenschaft an der Technischen Universität Berlin, ist dieser Aspekt einer der Hauptgründe, warum sich Menschen bei Facebook oder MySpace, wo sich Musikliebhaber tummeln, mitmachen: „Es geht dort vor allem um Unterhaltung.“
Das A und O bei allen Portalen sind die Kontakte
Skeptisch ist auch die Mehrheit der Deutschen. In einer Umfrage der Stiftung für Zukunftsfragen gaben 58 Prozent der Bundesbürger an: „Virtuelle Kontakte können keine realen Beziehungen ersetzen, da sie oberflächlich und willkürlich bleiben.“ Was droht, so hört man oft, ist Vereinsamung.
Was passiert mit unseren Daten?
Wesentlich intensiver wird in letzter Zeit aber über ein anderes Thema diskutiert: Was passiert mit unseren Daten? Alarmierende Ergebnisse stellte Stiftung Warentest im Frühjahr 2010 vor: Alle geprüften Netzwerke hätten Datenschutzlücken. Bei acht von zehn Anbietern gebe es „deutliche“ oder „erhebliche Mängel“. Hubert Primus von Stiftung Warentest berichtet: „Allein in den Nutzungsbedingungen für MySpace wurden 20 Klauseln gefunden, nach denen sich das Portal auf geradezu unverschämte Art der Nutzerdaten, etwa für Werbung, bedienen darf.“
Facebook agiert ähnlich. Im Dezember 2009 wurden die Einstellungen so geändert, dass möglichst viele private Informationen der Benutzer öffentlich sichtbar sind. Möchte man persönliche Daten vor Unbekannten schützen, muss man sich umständlich durch verschiedene Einstellungen klicken. Nur nach massiven Protesten hat Facebook diese Vorgänge nun ein wenig vereinfacht. Datensicherheit kann dennoch nicht garantiert werden. Schon mit wenigen Handgriffen können Hacker Millionen von Datensätzen ergattern, selbst missbrauchen oder weiterverkaufen.
Doch es gibt auch gute Nachrichten. So arbeiten der Juniorprofessor Thorsten Strufe und sein Team von der Technischen Universität Darmstadt gerade an einem vielversprechenden Projekt: „Safebook“ lautet der Arbeitstitel. Es soll ein soziales Netzwerk mit maximaler Datensicherheit sein, geschützt vor dem Missbrauch von Nutzerdaten durch den Betreiber und vor Angriffen durch Hacker. Sein Ziel: ganz ohne Werbung auszukommen. „Wir wollen den Leuten die Macht über ihre Daten zurückgeben“, sagt Thorsten Strufe. Er hofft, „Safebook“ bald kostenlos zur Verfügung stellen zu können. Ende des Jahres soll es so weit sein.
Die größten Communities
• FACEBOOK.DE Mehr als 500 Millionen Mitglieder machen Facebook zur größten Online-Gemeinde der Welt. Etwa 13 Millionen Deutsche sind dabei.
• MEINVZ.DE Das Portal hat zusammen mit SchülerVZ und StudiVZ ähnlich viele Nutzer in Deutschland wie Facebook.
• STAYFRIENDS.DE Mehr als 10 Millionen Deutsche suchen hier nach alten Schulfreunden.
• WER-KENNT-WEN.DE Das Netzwerk hat rund 8 Millionen Mitglieder in Deutschland.
• MYSPACE.DE Über 3 Millionen Musikliebhaber tauschen sich hier über Musik aus.
• XING.DE Fast 4 Millionen Deutsche nutzen Xing überwiegend für berufliche, aber auch für private Kontaktpflege.