
Die Dreifachbelastung aus Beruf, Familie und Pflege setzt vor allem Frauen unter Druck. So kann der Balanceakt im Alltag gelingen.
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend spricht vom Gender Care Gap, der ungleichen Verteilung unbezahlter Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern. Aktuell, so das BMFSFJ, liegt der Gender Care Gap bei 44,3 Prozent. In konkrete Zeit gefasst bedeutet das, dass Frauen in Deutschland pro Tag im Durchschnitt 79 Minuten mehr für unbezahlte Sorgetätigkeiten aufwenden.
In der Realität dürfte die Verteilung in vielen Familien noch stärker divergieren. Berufstätige Mütter sind im Alltag oft täglich einer Dauerbelastung ausgesetzt. Sie jonglieren zwischen beruflichen Verpflichtungen und den Bedürfnissen der Familie. Kommt dann noch die Pflege von Angehörigen hinzu, ist der Spagat kaum noch zu leisten. Nach Angaben des Statistischem Bundesamtes gab es 2023 rund 5,1 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland, von denen etwa 4,3 Millionen zu Hause betreut wurden. Besonders Frauen übernehmen dabei häufig die Hauptverantwortung. Erhebungen zeigen: 75 Prozent der häuslichen Pflege wird von weiblichen Angehörigen geleistet.
Wie lässt sich ein Tag zwischen Liebe und Pflicht gestalten? Reichen Organisationstalent und Durchhaltevermögen aus, um den vielen To-Dos und Verpflichtungen gerecht zu werden? Damit zwischen Karriere, Kindern und Pflege die eigenen Bedürfnisse nicht auf der Strecke bleiben, ist Unterstützung notwendig. Mit vielfältigen Hilfsangeboten und cleveren Strategien für den Alltag kann der Balanceakt zwischen Beruf, Care Arbeit und Lebensfreude gelingen.
Die Herausforderungen der Dreifachbelastung erkennen
Berufstätige Mütter stehen oft vor der schwierigen Aufgabe, gleich drei Rollen miteinander zu vereinen: Sie sind Kollegin, Mutter und Pflegerin. Diese Dreifachbelastung kann leicht zu einer Zerreißprobe werden, besonders wenn alle Bereiche gleichzeitig Aufmerksamkeit fordern.
Vielleicht kommen Sie nach einem langen Arbeitstag nach Hause und möchten Qualitätszeit mit Ihren Kindern verbringen. Doch stattdessen warten zu Hause Anrufe vom Pflegedienst und die Organisation eines neuen Rezeptes für Ihre Mutter. Beim Einkauf möchten Sie sie aufgrund ihrer körperlichen Einschränkungen auch unterstützen. Für den Sportkurs wird an diesem Tag wohl wieder keine Zeit bleiben. In solchen Momenten fühlt es sich möglicherweise an, als würde der Alltag viel zu schnell an Ihnen vorbeiziehen, während Sie versuchen, allem gerecht zu werden und dabei selbst auf der Strecke bleiben.
Die ständige Bereitschaft für fremde Bedürfnisse fordert ihren Tribut. Viele Frauen, die neben ihrem Beruf einen großen Anteil der Care Arbeit für die Familie übernehmen, berichten von körperlichen Beschwerden wie Rückenschmerzen oder Schlafproblemen. Noch schwerer wiegen jedoch oft die psychischen Belastungen. Der Druck, in allen Lebensbereichen gefordert zu sein und funktionieren zu müssen, führt zu Stress und Überforderung.
Um in dieser Lebenssituation den Blick auf die eigenen Bedürfnisse nicht zu verlieren, ist es wichtig, sich die Herausforderungen bewusst zu machen, die den Alltag prägen.
Zeitliche Überforderung
Der Tag hat nur 24 Stunden, und diese reichen selten aus, um allen Verpflichtungen gerecht zu werden. Zwischen beruflichen Aufgaben, der klassischen Care Arbeit im Familienalltag und der Pflege eines Angehörigen bleibt kaum Raum für Pausen oder persönliche Bedürfnisse. Das Zeitmanagement wird zu einer täglichen Gratwanderung, die oft mit Überstunden, Schlafmangel und einer ständigen innere Unruhe einhergeht.
Psychische Belastung
Der Spagat zwischen verschiedenen Rollen im Lebensalltag geht meist mit einem hohen emotionalen Druck einher. Frauen fühlen sich dafür verantwortlich, jeder ihrer vielfältigen Aufgaben vollumfänglich gerecht zu werden. Der Anspruch, „alles schaffen zu müssen“, führt nicht selten zu Stress, Ängsten und Erschöpfung. Hinzu kommen Gefühle wie Schuld oder Versagen, wenn das Leistbare in einem Verantwortungsbereich nicht ausreicht.
Physische Auswirkungen
Die körperlichen Anforderungen der Mehrfachbelastung bleiben oft nicht ohne Folgen. Ständige Erschöpfung, Rückenschmerzen durch körperliche Pflegearbeiten oder Schlafstörungen durch nächtliche Unterbrechungen sind keine Seltenheit. Für gezielte Selbstfürsorge fehlt zudem häufig die Zeit.
Berufliche Einschränkungen
Für das berufliche Vorankommen ist ein hohes Maß an Care Arbeit meist ein Hemmschuh. Frauen, die den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit im familiären Umfeld übernehmen, sind meist dazu gezwungen, ihre Arbeitszeiten zu reduzieren, nehmen häufiger als Männer Teilzeitstellen an oder verzichten gänzlich auf Aufstiegschancen, um für die Familie verfügbar zu bleiben. Diese Entscheidungen haben nicht nur finanzielle Auswirkungen im Hier und Jetzt, sondern können sich auch langfristig negativ auf die Altersvorsorge auswirken und nicht zuletzt auch auf die berufliche Zufriedenheit.
Gesellschaftlicher Druck und Erwartungshaltungen
Die traditionelle Rollenverteilung ist in vielen Köpfen immer noch präsent. Frauen spüren oft den gesellschaftlichen Druck, sowohl im Beruf als auch in der Familie allem gerecht werden zu müssen. Dieser Erwartungshaltung folgen häufig auch zu hoch gesteckte eigene Ansprüche und ein Hang zum Perfektionismus.
Fehlende Unterstützung und Anerkennung
Viele Frauen fühlen sich mit ihren Aufgaben alleingelassen. Trotz des wachsenden gesellschaftlichen Diskurses über Gleichberechtigung bleibt Care Arbeit oft unsichtbar und wird sowohl moralisch als auch finanziell selten angemessen gewürdigt. Auch staatliche Unterstützungsangebote wie Pflegegeld oder Betreuungsleistungen können den tatsächlichen Bedarf nicht in ausreichendem Maße abfangen.
Soziale Isolation
Die Doppel- oder Dreifachbelastung durch Beruf und Care Arbeit führt oft dazu, dass keine Zeit mehr für private soziale Kontakte bleibt. Verabredungen mit Freunden, Hobbys oder sportliche Aktivitäten finden in dem vollen Terminkalender kaum Platz. Dies kann zu einem Gefühl der sozialen Isolation führen, das zusätzlich belastet.
Sind die umfangreichen Herausforderungen, die die Belastung aus Beruf, Familie und Pflege mit sich bringt, präsent, ist es möglich, Strategien zu entwickeln und Unterstützungsangebote zu suchen. Die Organisation von Pflegeleistungen ist in Deutschland komplex, doch es gibt vielfältige Beratungsangebote und Möglichkeiten der Entlastung, die Frauen in dieser Lebenssituation in Anspruch nehmen können.
Die 24-Stunden-Pflege: Vor- und Nachteile der umfangreichen Unterstützung
Benötigen Angehörige ein hohes Maß an Pflege oder fallen Aufgaben an, die ohne eine fachliche Ausbildung nicht erfüllt werden können, kann die Unterstützung durch eine 24-Stunden-Pflegekraft Entlastung bieten. Dabei zieht eine Pflegekraft in den Haushalt der pflegebedürftigen Person ein und übernimmt sowohl pflegerische Tätigkeiten als auch Hilfe bei den alltäglichen Aufgaben wie Kochen, Einkaufen oder Putzen.
Eine professionelle Pflegekraft, die 24 Stunden für eine bedürftige Person da ist, kann der Familie große Entlastung bieten. Gleichzeitig ist dieses Modell aber auch mit Herausforderungen verbunden.
Übernimmt eine Pflegekraft rund um die Uhr die Betreuung eines pflegebedürftigen Angehörigen, können Sie sich auf Ihre beruflichen und familiären Aufgaben konzentrieren. Lebt eine Pflegekraft mit im Haushalt der pflegebedürftigen Person, können Sie jederzeit sicher sein, dass ihr Angehöriger gut betreut ist und einen Ansprechpartner für seine Bedürfnisse hat. Auch die soziale Komponente findet dabei Berücksichtigung. Der Pflegebedürftige bleibt mit diesem Modell zudem in der vertrauten Umgebung, was die Lebensqualität und die Möglichkeiten der Teilhabe am Alltag häufig erhöht.
Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für die 24-Stunden-Pflege und finanzielle Aspekte sollten Familien sich im Vorfeld umfangreich informieren. Einen guten Überblick über gesetzliche Bestimmungen und Fördermöglichkeiten bietet die Deutsche Seniorenbetreuung.
Dies sind die wichtigsten Fakten zur 24-Stunden-Pflege in Deutschland:
Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen
In Deutschland erfolgt die 24-Stunden-Pflege häufig durch Betreuungspersonen aus dem Ausland, insbesondere aus osteuropäischen Ländern. Diese Pflegekräfte sind entweder:
- Selbstständig tätig,
- über eine deutsche Vermittlungsagentur angestellt oder
- bei einem ausländischen Dienstleister angestellt und über das Entsendemodell nach Deutschland vermittelt.
Unabhängig von der Anstellungsform gelten in Deutschland klare Regelungen zum Arbeitsschutz:
- Maximale Arbeitszeit: Auch für 24-Stunden-Pflegekräfte gelten die Vorgaben des deutschen Arbeitszeitgesetzes. Die maximale Arbeitszeit beträgt 8 Stunden täglich (mit Ausnahmen bis zu 10 Stunden). Die ständige Verfügbarkeit einer einzelnen Person rund um die Uhr ist nach deutschem Arbeitsschutzgesetz nicht zulässig. Ist eine lückenlose Betreuung erforderlich, wird in der Regel ein Rotationsmodell mit drei Pflegepersonen gelebt.
- Pausen und Ruhezeiten: Pflegekräfte haben Anspruch auf regelmäßige Pausen sowie mindestens 11 Stunden Ruhezeit pro Tag.
- Arbeitsvertrag: Ein rechtlich bindender und an das geltende Arbeitsrecht angelehnter Arbeitsvertrag regelt Rechte und Pflichten aller Beteiligten. Darin ist unter anderem festgelegt, welche Leistungen die Pflegekraft erbringt. Tätigkeiten, die über die Grundpflege und Haushaltsführung hinausgehen (z. B. medizinische Pflege), dürfen nur von ausgebildetem Fachpersonal durchgeführt werden. Werden Pflegekräfte über eine Vermittlungsagentur organisiert, haftet die Agentur für die korrekte Einhaltung aller rechtlichen Vorgaben.
Sozialversicherungsrechtliche Vorgaben
Für Pflegekräfte aus dem Ausland gelten je nach Anstellungsmodell unterschiedliche Bestimmungen im Hinblick auf die Sozialversicherung:
- Entsendemodell: Die Pflegekraft bleibt im Herkunftsland sozialversichert, während der Arbeitgeber (meist eine ausländische Agentur) die Beiträge zahlt. Hier ist eine A1-Bescheinigung erforderlich, die den Nachweis über die Sozialversicherung im Heimatland erbringt.
- Selbstständige Pflegekräfte: Selbstständige Betreuungspersonen müssen in Deutschland nachweisen, dass sie tatsächlich eigenständig tätig sind. Die Scheinselbstständigkeit ist rechtlich untersagt.
- Vertrag mit Agenturen: Werden Pflegekräfte über eine Vermittlungsagentur organisiert, sorgt die Agentur für die korrekte Einhaltung aller rechtlichen Vorgaben. Hier sollten Familien auf Seriosität und Transparenz der Anbieter achten.
Kosten und Finanzierung
Die 24-Stunden-Pflege ist mit erheblichen Kosten verbunden, die meist privat getragen werden müssen. Staatliche Hilfen können die finanzielle Belastung jedoch teilweise reduzieren:
- Pflegegeld: Abhängig vom Pflegegrad erhalten Pflegebedürftige monatliche Leistungen, die zur Finanzierung der Betreuung genutzt werden können.
- Entlastungsbeitrag: Pro Monat stehen bis zu 125 Euro für zusätzliche Betreuungs- oder Entlastungsleistungen zur Verfügung.
- Steuerliche Vorteile: Pflegekosten können unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich geltend gemacht werden.
Als Herausforderung werden vor allem emotionale Hürden empfunden. Viele Menschen tun sich anfangs schwer damit, eine fremde Person in den engsten Familienkreis und das heimische Umfeld zu integrieren. Das gilt vor allem, wenn die pflegebedürftige Person nicht mehr in einem eigenen Haushalt lebt, sondern bereits in den Familienhaushalt integriert wurde. Es braucht Zeit und Geduld, bis alle Beteiligten sich mit der neuen Situation wohlfühlen und die Vorteile der 24-Stunden-Pflege genießen können.
Hilfreiche Strategien für die Balance im Alltag
Um den Alltag zwischen Job, Familie und Pflege zu bewältigen, ist eine Kombination aus Struktur und Unterstützung erforderlich.
Alltagstools wie Kalender-Apps sind nützlich, um Termine, Care Aufgaben und berufliche Verpflichtungen übersichtlich zu koordinieren und nicht den Überblick zu verlieren. Planen Sie dabei immer auch Pufferzeiten ein, um flexibel auf unvorhergesehene Situationen reagieren zu können und Raum für Ihre eigenen Bedürfnisse zu schaffen.
Die Integration von Hilfsangeboten unterstützt Sie dabei, die zahlreichen Aufgaben bewältigen zu können. Diese Hilfsangebote bringen Entlastung im Alltag:
- Tagespflege: Pflegeeinrichtungen, die Ihre Angehörigen stundenweise betreuen, bieten Ihnen Zeit für den Beruf oder die Familie.
- Pflegedienste: Ambulante Pflegekräfte übernehmen Aufgaben wie Medikamentengabe oder Körperpflege.
- Nachbarschaftshilfe: Vielleicht gibt es in Ihrer Umgebung Menschen, die bereit sind, kleinere Aufgaben zu übernehmen, wie Einkäufe oder Besorgungen.
Prüfen Sie zu Ihrer wirtschaftlichen Entlastung auch, welche finanziellen Unterstützungen Ihnen zustehen. In Deutschland stehen Leistungen wie das Pflegegeld oder die Verhinderungspflege zur Verfügung. Eine Übersicht über das Unterstützungsangebot rund um die Pflege stellt das Bundesgesundheitsministeriums zur Verfügung.
Ein wesentlicher Punkt zur Bewältigung des Alltags mit einer Dreifachbelastung bleibt immer auch die Selbstfürsorge. Planen Sie bewusst Zeit für Ihre eigenen Bedürfnisse ein wie Sport oder soziale Kontakte ein und geben Sie ihnen den Raum, der ihnen zusteht.
Gemeinsam Perspektiven schaffen
Die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege darf nicht allein Ihre Aufgabe sein. Die Gesellschaft ist gemeinsam dafür verantwortlich, Perspektiven zu schaffen. Arbeitgeber und Politik können wesentliche Rahmenbedingungen gestalten, die den Balanceakt zwischen Beruf, Familienbetreuung und Pflege erleichtern.
Flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit des Homeoffice können wesentlich dazu beitragen, berufliche und private Verpflichtungen in Einklang zu bringen.
Auf Seiten der Politik ist der Ausbau von Pflegeangeboten und finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten erforderlich, um Familien langfristig zu entlasten und die Care Arbeit stärker zu würdigen.
Darüber hinaus sind belastbare Netzwerke aus Beratungsangeboten und Selbsthilfegruppen wichtig, die praktische Alltagshilfe und emotionale Unterstützung leisten können.
Diese Angebote können eine wichtige erste Anlaufstellen sein, die Sie dabei unterstützen, den täglichen Balanceakt zu bewältigen: