Rheuma – ein Begriff, viele Krankheitsbilder
„Es gibt bis zu 400 verschiedene Formen von Rheuma, darunter teils sehr spezielle, die nur ganz selten vorkommen“, erläutert Dr. Klaus Müller, Leitender Arzt der Rheumatologie am Katholischen Klinikum Bochum. Umgekehrt gibt es Rheumaformen, die Dr. Müller in seinem Klinikalltag besonders häufig begegnen.
Bei den entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ist es die rheumatoide Arthritis – eine Gelenkerkrankung, die laut Dr. Müller mit etwa 800.000 Betroffenen in Deutschland den größten Teil unter den etwa 1,2 Millionen Fällen von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ausmacht.
Rheumatoide Arthritis: Frauen dreimal häufiger betroffen
Ein tieferer Blick in die Statistik zur rheumatoiden Arthritis verrät: Frauen sind etwa dreimal häufiger betroffen als Männer und bei Krankheitsbeginn im Schnitt auch circa zehn Jahre jünger.
Dr. Müller zu den ersten Anzeichen der Erkrankung (bei Frauen und Männern): „Warnzeichen sind Schmerzen und Schwellungen an den kleinen Gelenken der Hände und Füße, also an Fingern und Zehen. Man kann Ringe nicht mehr problemlos über das Gelenk abziehen, die Hand nicht zu einer Faust schließen oder empfindet einen Händedruck zur Begrüßung als unangenehm. Auch Morgensteifigkeit von mehr als einer Stunde, die vergeht, wenn die Gelenke durch Bewegung gelockert sind, ist ein Anzeichen für eine rheumatoide Arthritis.“
Morbus Bechterew: Frauen genauso häufig betroffen
Bei Morbus Bechterew treten die rheumatischen Entzündungen meist zunächst am Kreuz-Darmbein-Gelenk und den Gelenken der unteren Wirbelsäule auf, später können auch die Brust- und Halswirbelsäule betroffen sein. Als typische erste Anzeichen von Morbus Bechterew gelten nächtliche Rückenschmerzen und eine Morgensteifigkeit, die sich bei Bewegung bessert.
Früher galt diese Rheumaform als „Männerkrankheit“. Heute weiß man aber: Frauen sind in etwa genauso oft betroffen wie Männer. Eine Erklärung, warum die Krankheit bei Frauen oft nicht als solche erkannt wurde und heute noch im Durchschnitt später diagnostiziert wird als bei Männern, ist die etwas andere Symptomatik bei Frauen: Häufig äußert sich die Erkrankung bei ihnen zunächst an Gelenken außerhalb der Wirbelsäule und an den Sehnenansätzen.
Behandlung von Rheuma: Individuelle Lebenssituation will beachtet werden
Was bedeutet es nun für Patientinnen, wenn es bei bestimmten rheumatischen Erkrankungen geschlechtsspezifische Unterschiede gibt? Wenn beispielsweise die rheumatoide Arthritis einer Patientin deutlich früher begann als bei einem Patienten? Oder ein Morbus Bechterew bei einer Frau anders verläuft als bei einem Mann?
Sehr wichtig ist immer eine möglichst frühzeitige Diagnose der Krankheit. Im Fall von Morbus Bechterew weist die ärztliche Leitlinie daher bewusst darauf hin, dass in den ersten Erkrankungsjahren auch eine „eine variable extraskelettale Beteiligung“ vorliegen kann. Übersetzt heißt das für die ärztliche Diagnostik grob gesagt: nicht nur Becken- und Wirbelsäulengelenke, sondern ebenso die Sehnenansätze sollten auf Entzündungen hin untersucht werden.
Für die Behandlung ist neben dem Krankheitsstadium und -verlauf die persönliche Lebenssituation ein wichtiges Kriterium. Es ist nun einmal ein Unterschied, ob eine berufstätige Frau mit Anfang fünfzig die Diagnose rheumatoide Arthritis erhält oder ein pensionierter Mann mit Mitte siebzig. Auch deshalb empfiehlt die Leitlinie „Management der frühen rheumatoiden Arthritis“, dass jede Entscheidung „auf Basis geteilter Information und einer gleichberechtigt aktiven Beteiligung von Patient und Arzt getroffen werden soll.“
Das gilt bei rheumatischen Erkrankungen allgemein für Maßnahmen wie eine Bewegungstherapie, im weiteren Erkrankungsverlauf aber auch für Therapieanpassungen, falls sich eine Behandlung als unzureichend erweist. Dr. Müller weist hier auf die neue Therapieoption der sogenannten Biologika hin, über die Patientinnen und Patienten aufgeklärt werden sollten: „Diese Substanzen, etwa TNF-Blocker oder Interleukin-Hemmer, wirken auf bestimmte Botenstoffe der Entzündungsreaktion im Körper, die sie blockieren und so insgesamt die Entzündungsreaktion im Körper unterdrücken.“ Die Therapie mit Biologika habe sich, führt der Experte aus, „in Studien als gut wirksam erwiesen. Patienten haben weniger Schübe, weniger Schmerzen und weniger Schäden an den Gelenken.“