Warum Essen auch Selbstliebe ist

Liebe geht durch den Magen. Selbstliebe auch? Warum gesunde Ernährung so viel mehr ist als nur reine Nahrungsaufnahme – das hat mir Lynn Hoefer, besser bekannt als Heavenlynn Healthy, in einem Interview verraten.

Essen, puh, ein schwieriges Thema. Also, zumindest für mich. Denn das Thema Essen bestimmt derzeit meinen Alltag, wenn nicht sogar mein ganzes Leben. Mein erster Gedanke am Morgen, mein letzter vor dem Schlafengehen – den ganzen Tag über kreisen meine Gedanken nur darum, was ich bereits gegessen habe, was ich noch essen werde. Ich habe meinen Essensplan für den nächsten Tag, die nächste Woche im Kopf, wenns schlecht läuft, dann sogar für den gesamten nächsten Monat. Alles unter Kontrolle, oder? Nicht wirklich, ganz im Gegenteil. Denn das, was ich hier beschreibe, ist eine Essstörung – und die hat mein Leben voll im Griff.

Was ich esse, weiß ich zu schätzen …

Klar, so eine Essstörung kann man nicht schönreden. Und doch gibt es da etwas, dass ich durch sie gelernt habe – nämlich, Essen wertzuschätzen. Wenn ich esse, dann lasse ich mir Zeit, genieße jeden Bissen. Nie würde ich zwischen Tür und Angel irgendwas in mich hineinschlingen. Ich esse achtsam, selbst mit einem Coffee to go in der Hand bleibe ich zum Trinken stehen. "Der Hunger treibt's rein" – so etwas würde ich nie sagen. In meinen Bauch kommt nur, was mir guttut, am liebsten selbstgemacht und natürlich ganz ohne Zusatzstoffe. 

Ein Porridge mit frischen Beeren zum Frühstück, zum Mittag ein veganes Linsencurry oder eine Suppe – ich mag vor allem Essen, das von innen wärmt. Geht es mir nicht gut, schmeckt der Nudelauflauf von meiner Mama nach Geborgenheit und der Pflaumenkuchen im Petit Café zwar nicht so gut wie von Oma – aber er schmeckt nach Kindheit, nach Sommer unter einer orangen Markise. Denn ja, natürlich esse ich auch mal ungesund, aber eben nur ganz selten und wenn, dann weiß ich es halt umso mehr zu schätzen.

… aber weiß ich auch mich selbst zu schätzen?

Könnte es sein, dass diese Wertschätzung auf Gegenseitigkeit beruht? Dass ich nicht nur mein Essen schätze, sondern vielleicht auch mich selbst? Schließlich lese ich immer häufiger, dass Essen auch Selbstliebe ist. Komischer Gedanke, denn mit der Selbstliebe klappt es bei mir ja bekanntlich nicht ganz so gut. 

Lynn Hoefer im Interview: "Gesunde Ernährung ist nämlich so viel mehr als nur reine Nahrungsaufnahme"

Meine Neugier ist dennoch geweckt – und deswegen habe ich Lynn Hoefer, auch bekannt als Heavenlynn Healthy zu einem Interview getroffen. Sie ist ganzheitliche Ernährungsberaterin, Buch-Autorin, Rezeptentwicklerin – und mein persönlicher Lieblings-Foodie, denn nichts geht über ihr selbst gemachtes Müsli (gibts hier jeden Morgen) oder ihren warmen Wintersalat, der mir natürlich auch im Frühling, Sommer und Herbst gut schmeckt. Ob Lynn weiß, wie das mit dem Essen und der Selbstliebe wirklich funktioniert?

Lynn, warum ist Essen auch Selbstliebe?

Essen ist Selbstfürsorge, denn wir brauchen Energie zum Leben. Eine wohltuende Mahlzeit nährt den Körper, aber irgendwo auch die Seele. Deshalb ist es ratsam, in einer ruhigen Umgebung zu essen und sich dafür Zeit zu nehmen – so gut das eben im stressigen Alltag möglich ist. Achtsamkeit ist beim Essen fast genauso wichtig wie das, was wir essen. Gesunde Ernährung ist nämlich so viel mehr als nur reine Nahrungsaufnahme. Ich bin der Meinung, dass es gesünder ist, eine große Portion Pasta in guter Gesellschaft zu essen als sich eine Schüssel Grünkohlsalat mit Quinoa vor dem Laptop reinzuschaufeln. Langes und bewusstes Kauen sollten wir auch nicht außer Acht lassen. Das ist nämlich die erste Stufe der Verdauung und hilft dem Körper, die Nährstoffe besser aus den Lebensmitteln aufzunehmen.

Welche Lebensmittel tun uns so richtig gut?

Eigentlich alle, solange sie nicht hoch verarbeitet sind. Lebensmittel mit einer besonders hohen Nährstoffdichte, wie beispielsweise grünes Blattgemüse, Kohlgemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse und Saaten oder auch Beeren tun dem Körper aber besonders gut. Sie enthalten enorm viele lebenswichtige Mineralstoffe, Vitamine und Spurenelemente, Ballaststoffe, komplexe Kohlenhydrate und gute Fette. 

Können Lebensmittel auch positive Gefühle auslösen?

Positive Gefühle kann man natürlich nicht wirklich essen, aber Quinoa oder Cashewkerne enthalten die Aminosäure L-Tryptophan, die im Körper in Serotonin, einem Glückshormon umgewandelt wird.

Gibt es Selbstliebe-Lebensmittel, die man immer zu Hause haben sollte?

Na ja, natürlich gibt es nicht das eine Selbstliebe-Lebensmittel. Ich würde darunter Lebensmittel verstehen, die es einem ermöglichen, schnell und ohne viel Aufwand eine nährende und wohltuende Mahlzeit zu kochen. Ich habe beispielsweise immer Kichererbsen im Glas und rote Linsen im Vorratsschrank sowie gefrorenes Gemüse in der Tiefkühltruhe. So kann ich mir blitzschnell ein gesundes Linsencurry oder einen klassischen Eintopf kochen. 

Sind Zucker, Fett und Kaffee damit tabu?

Nein, denn meiner Meinung nach führen Tabus und Verbote meistens dazu, dass das Verlangen danach weiter steigt. Aber natürlich sollten Zucker und leere Kohlenhydrate sowie Genussmittel in Maßen genossen werden. Fett ist nicht gleich Fett, denn der Körper braucht ungesättigte Fettsäuren fürs Gehirn oder auch für die Bildung von Hormonen. 

Woran erkennen wir, dass uns bestimmte Lebensmittel nicht guttun?

Das sogenannte Nachmittagstief ist ein gutes Beispiel dafür. Wenn wir mittags vor allem leere Kohlenhydrate wie Weißmehlpasta oder Pizza essen, hält die Energie danach meistens nicht lange an. Spätestens ein, zwei Stunden später haben viele dann oft wieder Hunger. Wenn wir dann noch zum Schokoriegel greifen, steigt unser Blutzuckerspiegel nochmals rasant an und fällt leider ebenso schnell wieder ab. Besser sind Lebensmittel, die den Blutzuckerspiegel nur langsam ansteigen lassen und die für Energie über mehrere Stunden sorgen, wie zum Beispiel eine Handvoll Nüsse, ein Apfel mit Nussmus oder ein Vollkornbrot mit Hummus. 

Wie sieht dein perfekter Tag in Sachen Ernährung aus, gibt es bestimmte Routinen, die du empfehlen kannst?

Das Wort perfekt mag ich in Bezug auf die Ernährung nicht, denn es gibt keine perfekte Ernährung. Auch alte Weisheiten, wie "Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages", sind mittlerweile überholt. Wer dennoch ein paar Anhaltspunkte sucht, dem empfehle ich, pro Mahlzeit mindestens drei verschiedene Gemüsesorten zu essen und einmal am Tag grünes Blattgemüse in die Ernährung zu integrieren. Zum Frühstück sollte man immer ein paar Proteine ergänzen (zum Beispiel durch Nussmus oder Saaten wie Hanfsamen). Außerdem ist wichtig, ausreichend zu trinken und möglichst oft in guter Gesellschaft zu essen. Der letzte Punkt ist wirklich nicht zu unterschätzen.

Selflove is made in the Kitchen

Nach meinem Interview mit Lynn muss ich wieder mal feststellen, dass ich in Sachen Selbstliebe doch viel weiter bin, als ich dachte. Auch wenn ich es mir sonst nicht eingestehen kann: Weiß ich mein Essen zu schätzen, dann weiß ich auch mich selbst zu schätzen und schenke mir den Respekt, den ich verdient habe. Denn Essen ist Selbstfürsorge, wie Lynn so schön sagt – und so viel mehr als nur reine Nahrungsaufnahme. Sollte es aber doch mal wieder kriseln an der Selbstliebe-Front, dann weiß ich ja, was zu tun ist: Dass Linsencurry ein Akt der Wertschätzung ist, dafür habe ich spätestens jetzt den Beweis.