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Das Buch des Monats: Der FÜR SIE Buchtipp im Oktober
Neues Lieblingsbuch gesucht? Jeden Monat verrät Literaturexpertin Isabell Stiller, welches Buch sie gerade begeistert. Diesmal: Ehemänner von Holly Gramazio.

Holly Gramazios Roman Ehemänner ist mein Buch des Monats Oktober.
In der letzten Septemberwoche konnte ich mich mit meinem Lachen gar nicht mehr zurückhalten. In der Bahn und im Bus waren mir die argwöhnischen Blicke sicher. Frei nach dem Motto: ist die jetzt betrunken oder hat die wirklich Spaß? Ich kann Ihnen versichern: letzteres war der Fall. Schuld daran war niemand geringeres als Holly Gramazio mit ihrem Roman Ehemänner.
Ein neuer Tag, ein neuer Mann?
Stellen Sie sich vor, Sie kommen nachts von einer Party heim, öffnen die Tür und ein Ihnen völlig fremder Mann begrüßt Sie mit den Worten: "Hallo Schatz, ich habe deinen Lieblingspyjama schon aufs Bett gelegt und dir einen Kamillentee gekocht". Klingt im ersten Moment nach einem klaren Fall für die Polizei. Oder nach dem Beginn einer ziemlich verrückten Liebesgeschichte.
Holly Gramazios Protagonistin Laura passiert nämlich genau das. Die ist wohlgemerkt single - und unverheiratet obendrein. Doch der Mann, der eines Nachts in ihrem Flur steht, ist anderer Meinung. Um genau zu sein ist er niemand geringeres als ihr Ehemann. Die Pärchenfotos auf Hollys Smartphone sprechen für sich. Ganz zu schweigen von Hollys Freunden und Bekannten, die alle von der ominösen Ehe zu wissen scheinen. Und dann wäre da noch ihre Wohnung, die sich von der Singlewohnung wie von Zauberhand in ein Liebesnest verwandelt hat. Verrückt? Ist Holly nicht. Denn kaum ist der vermeintliche Ehemann auf dem Dachboden verschwunden, erscheint auch schon der nächste. Die Suche nach Mr. Right hat begonnen! Aber woher soll Holly wissen, ob der neue Ehemann wirklich der Richtige ist - und ob nicht vielleicht nicht doch noch etwas Besseres dort oben auf sie wartet?
Wie Tinder - nur magischer (und nicht ganz so frustrierend)
Mit Ehemänner wirft Holly Gramazio einen ziemlich unterhaltsamen wie schamlosen Blick auf die Tinder-Generation von heute, für die der nächste Traumpartner nur einen Swipe entfernt ist - und genauso schnell durch einen neuen ersetzt werden kann. Ich habe selten so gelacht - und mich gleichzeitig so ertappt gefühlt. Eine brillante Satire über eine nimmersatte wie liebeshungrige Gesellschaft, die den Hals, äh... die Match-Leiste einfach nicht voll genug bekommt.
Ehemänner von Holly Gramazio ist für 22 Euro bei dtv erschienen.
Buch des Monats - Die bisherigen Buchtipps zum Stöbern
Sie haben das letzte Buch des Monats verpasst? Hier finden Sie alle bisher erschienen Buchtipps in chronologischer Reihenfolge:
Neue Autor:innen kommen und gehen - genauso wie ihre Bücher. Das mag vor allem an den schnelllebigen und doch sehr einfach gestrickten Zeiten liegen, in denen wir leben. Was eben noch in aller Munde war, ist im nächsten Moment meist schon wieder vergessen. Auf Caroline Wahl? Trift das zum Glück nicht zu.
Das FÜR SIE Buch des Monats August: Windstärke 17 von Caroline Wahl
Ich bin generell niemand, der sich gerne vom Hype anstecken lässt. Schon gar nicht, wenn es um Bücher geht. Heiße Luft wird auch im Buchmarkt und nicht zuletzt auf Social Media (Stichwort BookTok) gerne beworben. Bei Autorin Caroline Wahl dachte ich das im ersten Moment auch. Wie eine riesige Welle erfasste ihr Debüt 22 Bahnen im vergangenen Jahr nicht nur die Buchhandlungen, sondern auch die sozialen Medien und die Bestsellerlisten. Erfasst wurde auch ich. Zuerst versuchte ich mich noch dagegen zu wehren, ließ mich dann aber doch durch das Buch treiben - und wurde mehr als positiv überrascht. Jetzt geht die Geschichte rund um Tilda und ihre kleine Schwester Ida weiter.
Die Fortsetzung nimmt der Erfolgsautorin nicht den Wind aus den Segeln
Den Wind aus den Segeln? Nimmt sich Caroline Wahl auch in ihrer Fortsetzung Windstärke 17 nicht. Ganz im Gegenteil. Und wir wissen alle, wie schwer es ist, eine gute Fortsetzung zu schreiben! Nicht nur Caroline Wahl selbst, auch Tildas jüngere Schwester Ida wächst im zweiten Teil über sich hinaus. Die ist anfangs mit ihrem Gefühlschaos, der Wut, der Trauer und der Schuld, die sie in sich trägt, völlig überfordert. Die alkoholkranke Mutter ist tot, Tilda in Hamburg. Und Ida? Lässt ihre alte Heimat hinter sich, nimmt nur ein paar Lieblingsklamotten und ihr MacBook mit und steigt in den Zug, der am weitesten wegfährt. Sie landet schließlich auf Rügen.
Selbstfindungs-Retreat, Yoga, Ayahuasca? Fehlanzeige. Wer braucht das schon?! Stattdessen kommt Ida beim örtlichen Kneipenbesitzer Knut und seiner Frau Marianne unter. Herrlich normal, herrlich real. Und genau dafür mag ich Caroline Wahl. Viele Worte braucht die Autorin auch diesmal nicht, um ihrer Geschichte Ausdruck zu verleihen. Die Magie liegt in der Einfachheit ihrer Worte: "Neben mich setzt sich ein junger Mann um die 30. Schwarzer Anzug, er meidet Blickkontakt, hat offensichtlich genauso wenig Bock auf Konversation wie ich", heißt es etwa auf Seite 18. Und irgendwie erkenne ich mich darin selbst wieder. So wie an vielen anderen Stellen.
Windstärke 17 ist wie das Licht am Ende des Tunnels
Caroline Wahls Coming-of-Age-Fortsetzung liest sich so, wie das Leben eben ist. Ungeschönt, vor allem aber: nicht gestellt oder mit einem Insta-Filter versehen. Ach ja. Die Liebe kommt in Windstärke 17 natürlich auch nicht zu kurz: Ida trifft auf den Surfer-Boy Leif. Doch selbst hier schafft es Caroline Wahl den richtigen Ton zu treffen. Einen Ton, der klar, direkt und nahbar ist. Ein Stück aus dem echten Leben, eben. Und vielleicht liegt hier auf das Geheimnis für Wahls Erfolg. Sie schreibt für eine Generation, auf deren Schultern nicht gerade wenig lastet. Klimawandel, Zukunftsängste, kaputte Eltern, gestörte Beziehungen, alte weiße Männer. Windstärke 17 ist wie das Licht am Ende dieses ätzenden Tunnels. Das einem Hoffnung gibt, selbst wenn's gerade düster und die Zukunft ungewiss ist.
Windstärke 17 von Caroline Wahl ist für 24 Euro im Dumont Verlag erschienen.
Mein letztes Jahr der Unschuld von Daisy Alpert Florin
Was braucht es für eine gute Liebesgeschichte? Leidenschaft, klar. Aber es gehört noch viel mehr dazu: Spannung, Charme und eine Prise Realismus. So geht es mir jedenfalls, wenn ich mal wieder etwas fürs Herz lesen möchte. Denn eine wirklich gute Liebesgeschichte zu schreiben, in der es nicht nur zur Sache geht, ist eine wahre Kunst. Und die stellt Daisy Alpert Florin in ihrem Roman Mein letztes Jahr der Undschuld sehr eindrucksvoll unter Beweis.
Die Liebe ist ein seltsames Spiel. Davon können nicht nur Connie Francis und wir ein Lied von singen, sondern auch die Protagonistin in Daisy Alpert Florins Roman Mein letztes Jahr der Unschuld. Wir begleiten Isabel Rosen durch ihr letztes Jahr am College, das eine echte Achterbahn der Gefühle ist: Freundschaften driften auseinander, die Zukunftsängste werden größer, Eltern üben ihren unsichtbaren Druck aus und werden älter. Und als wäre das nicht schon genug, klopfen ausgerechnet auch noch die ganz großen Gefühle an die Tür der jüdischen Studentin. Von denen möchte Isabel nach einem eher unerfreulichen Intermezzo mit ihrem Kommilitonen Zev nur eigentlich gar nichts wissen. Aber Gefühle sind bekanntlich nicht planbar. Und so spielt das Leben, wie es eben spielt: nach seinen ganz eigenen Vorstellungen und Regeln.
Isabel wie sie leibt und lebt - und liebt
Als Isabels Lieblingsdozentin den Kurs für Kreatives Schreiben nicht weiter unterrichten kann, springt R.H. Connelly ein, ein charismatischer Dichter, der schon bald das Interesse der Studentin weckt. Der gefeierte Literaturprofessor erkennt ihr Talent, fördert und unterstützt sie auf ihrem Weg. Auf einer Uniparty macht es schließlich KLICK. Einen Kuss und unzählige Treffen in Connellys Büro später, stecken Isabel und ihr verheirateter Dozent Hals über Kopf in einer Affäre fest. Ein Klischee? Vielleicht. Und irgendwie auch nicht. Daisy Alpert Florin verleiht dem klassischen "Stundentin liebt Uniprofessor"-Plot einen ungewohnten Twist mit Sogwirkung. Denn der ach so charmante Literaturprofessor ist nicht der, der er vorgibt zu sein. Das muss auch Isabel irgendwann feststellen. Während sich Connelly immer weiter verstrickt, wächst Isabel Rosen mit jeder weiteren Seite ein Stückchen über sich hinaus.
Bei Alpert Florin steht nicht einfach nur der Höhepunkt im Vordergrund
In Mein letztes Jahr der Unschuld wird nicht einfach nur geknutscht, sich hingegeben und am Ende werden beide in flagranti von der Ehefrau im Schlafzimmer erwischt. Der Höhepunkt als Mittelpunkt? Eine klischeebeladene Wiederholung, wie man sie schon unzählige Male gelesen hat? Das alles hat Alpert Florin nicht zu bieten. Dafür aber jede Menge Gefühl. Schmerzhaften und schönen. Wir begleiten eine junge Frau auf dem Weg ins Erwachsenenleben. Auf eine Reise des Entdeckens und der Selbstfindung. Und ein Stück weit auch zu uns selbst. Mitten ins Leben rein, statt uns einfach nur die rosarote Brille aufzusetzen. Mit all seinen Hochs und Tiefs. Ein Buch, das nachdenklich macht und dazu anregt, auch über das eigene Leben nachzudenken: Bin ich glücklich, was macht mir Sorgen? Wie kann ich mein Leben bereichern - zu dem machen, was mich erfüllt? Daisy Alpert Florins Protagonistin Isabel Rosen hat bei mir definitiv einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Mein letztes Jahr der Unschuld von Daisy Alpert Florin ist für 24 Euro im Eisele Verlag erschienen.
Ein Sommerabend von Cécile Tlili
Der Sommer schreibt doch die besten Geschichten, oder? Das trifft jedenfalls auch auf die Figuren in Cécile Tlilis Roman zu. Zwei Paare verbringen einen heißen Sommertag gemeinsam in Paris. Klingt erst mal nach einem unaufgeregtem, vielleicht auch etwas öde und vorhersehbarem Plot. Cécile Tlili weiß jedoch, wie sie die Schrauben drehen muss, um ihre Leser:innen in den Bann zu ziehen - und das mag nicht zuletzt daran liegen, dass die Pariserin eigentlich Ingenieurwesen studiert hat. Denn das ach so schöne und entspannte Abendessen nimmt im Verlauf des Romans immer mehr an Fahrt auf - und entpuppt sich als wahrer Maskenball, bei dem jeder versucht, den Schein zu wahren.
Ein Abendessen mit Hindernissen und Geheimnissen
Gastgeber Etienne überredet seine wenig gesellige Frau Claudia dazu, Remi und seine Frau Johar einzuladen. Nicht nur die Gastgeber, auch die Gäste selbst haben ihre ganz eigenen Problemchen, Gedanken und Sorgen mit in die Wohnung der Gastgeber gebracht: Johar hat ein Jobangebot und will an diesem Abend noch eine Entscheidung fällen. Etienne hofft derweil, dass Claudia dem Angebot zusagt und er ein Mandat für seine Kanzlei bekommt. Und Remi? Ist gedanklich ganz woanders - schließlich droht sein wohlbehütetes Geheimnis, aufgedeckt zu werden, während ein bestimmter Moment Claudia endlich die Augen öffnet. Zum Vorteil - oder zum Nachteil?
Nichts ist so, wie es scheint - oder doch?
Langeweile kommt bei diesem Kammerspiel im Buchformat ganz sicher nicht auf. Mit scharfsinniger Beobachtungsgabe seziert Autorin Cécile Tlili die vier Menschen; ihre Beziehungen zu sich selbst und zueinander und macht damit deutlich, dass nichts so ist, wie es scheint. Auch, wenn wir das vielleicht denken. Denn wer glaubt, beim Lesen das Spiel durchschaut zu haben, den überrascht Ingenieurin und Autorin Cécile Tlili mit einem unerwarteten Dreh an der richtigen Schraube.
Wer mich kennt, weiß: Ich liebe ungewöhnliche Geschichten mit Theatercharakter à la Der Gott des Gemetzels u.a. mit Christoph Waltz und Kate Winslet in den Hauptrollen. Teresa Präauers Roman Kochen im falschen Jahrhundert ging in diese Richtung - und hat mich damals sehr begeistert. Ähnlich stark präsentiert sich jetzt Cécile Tlili mit ihrem Roman Sommerabend.
Cécile Tlilis Roman Ein Sommerabend ist am 17. Mai 2024 im Verlag Kein & Aber für 21,00 Euro erschienen.
Der Club der geschiedenen Frauen von Rowan Beaird
Über geschiedene Frauen wird eher weniger gesprochen - und geschrieben. Klar, ist ja auch ein eher unbequemes Thema. Wer will schon gerne über seine gescheiterte Ehe lamentieren? Dabei kann dieses doch sehr schmerzliche Thema auch seine positiven Seiten haben, wie Autorin Rowan Beaird mit ihrem kürzlich erschienen Roman Der Club der geschiedenen Frauen beweist. Mein Buchtipp im April 2024.
Nevada im Jahr 1950: Eine Scheidung vom Ehemann? Damals undenkbar - und verpönt dazu. Lois wagt den Schritt trotzdem. Sechs Wochen nach ihrer Scheidung reist die Protagonistin von Chicago nach Reno, um ein neues Leben zu beginnen. So, wie es das Gesetz hier erlaubt. Ihr Weg führt sie ins Golden Arrow. Eine Pension für Frauen wie Lois: Geschieden, mittellos, hoffnungslos. Die Bewohnerinnen vertreiben die Hitze und ihre Sorgen am hauseigenen Pool, abends machen sie die Casinos und Bars unsicher. Nur Lois findet keinen Anschluss, bis die geheimnisvolle Greer zu der Gruppe stößt.
Geschieden, na und? Das Leben geht trotzdem weiter
Plötzlich geht alles ganz schnell und Lois trübes und graues Leben scheint nach ihrer Ehe wieder an Fahrt zu gewinnen. Das geschiedene Duo will nach L.A. durchbrennen, um es dort auch ohne Männer an ihrer Seite zu etwas zu bringen. Doch das Leben kommt natürlich immer anders, als man es sich gerade ausmalt. Denn Greer hat auch eine andere Seite, die Lois immer mehr zu Gesicht bekommt.
Mit Der Club der geschiedenen Frauen erinnert Rowan Beairds an ein wichtiges Kapitel unserer Zeitgeschichte, das auch 70 Jahre später nicht an Relevanz verloren hat. Ein inspirierendes Buch über Selbstfindung und Stärke. Vor allem aber Mut und Selbstvertrauen, auch mal Dinge zu tun, die unbequem sind. Und sich auf diesem Weg nicht davon beeindrucken zu lassen, was die Gesellschaft scheinbar immer noch von uns Frauen erwartet - oder eben nicht.
Rowan Beairds Roman Der Club der geschiedenen Frauen ist am 4. April 2024 im Verlag Hoffmann & Campe für 19,99 Euro erschienen.