Besuch im Hamam

Besuch im Hamam

Ein Traum aus Schaum, Massagen und warm-feuchtem Klima: Das ist orientalische Wellness. Unsere Autorin hat das Reinigungs-Ritual getestet.

© Crisma - iStockphoto
Besuch im Hamam

Schon der Empfangsbereich ist überwältigend. Mit seinen Kronleuchtern, den üppigen, rotund goldbezogenen Sesseln und Sofas und der orientalischen Atmosphäre wirkt er wie eine Kulisse aus 1001 Nacht. Nazli reicht mir ein kariertes Baumwolltuch, ein sogenanntes Pestemal, das ich mir um die Hüften wickeln soll. In einer Kabine ziehe ich mich aus bis aufs Bikini-Höschen und das farbige Pestemal, das während der Anwendungen dafür sorgt, meine Intimsphäre zu wahren. Heute ist Frauentag im Hamburger Hamam, und das bedeutet: Nicht nur die Besucher, auch das Personal ist ausschließlich weiblich. Was mir sehr angenehm ist, denn in Gegenwart unbekannter, halbnackter Männer fühle ich mich überhaupt nicht wohl.

Die feuchte Luft fühlt sich schmeichelnd an
Als Nazli die Tür zum Badesaal öffnet, schlägt mir feuchte Hitze entgegen, die Temperatur liegt bei 40 bis 45 Grad. In der nächsten Viertelstunde gewöhnt sich mein Körper langsam an die ungewohnte Wärme, die Feuchtigkeit in der Luft ist für die Atemwege angenehmer als das Klima in einer klassischen finnischen Sauna. Ich nehme orientalische Musik wahr und leise Frauenstimmen. An den Wänden Gemälde und überall Marmor: auf dem Boden, den geheizten Bänken, auch die Becken, in die unablässig Wasser plätschert, sowie die Massagetische sind aus dem edlen Stein. Ich setze mich, Nazli beginnt, mich mit warmem Wasser aus zwei Bronzeschalen zu übergießen: erst Hände und Arme, dann den ganzen Körper. Nicht nur Staub und Schweiß werden abgespült, auch jegliche Hektik fällt von mir ab. Als Nächstes soll ich mich auf ein Podest legen. Der Göbektasi, eine große beheizte Marmorplatte, erwärmt den Körper langsam, schafft eine Art künstliches Fieber und bringt damit das Immunsystem in Schwung. Außerdem entspannt die Hitze die Muskeln, öffnet die Poren. Verwöhnt vom tropischen Klima und dem leisen Klangteppich, döse ich ein. Als meine Masseurin, eine blonde Deutsche namens Dorothée, 46, mich abholt, folge ich ihr etwas benommen. „Unser Personal ist international“, erklärt Besitzer Costur später. Längst besuchen mehr Deutsche als Türken seinen Badetempel, darunter mehr Frauen als Männer: „Der Wellness-Trend wird seit Anfang 2000 immer stärker“, sagt Costur. Ich lege mich auf den Marmortisch, Dorothée erklärt mir ausführlich alle Schritte. Sie lässt mich sogar über den Handschuh aus Rohseide streichen, den sie verwenden wird. Seine Härte hätte mich vorwarnen sollen. Was nun folgt, verdient die Bezeichnung „eine Abreibung bekommen“: Beginnend an den Füßen, hobelt Dorothée mit dem Handschuh beherzt über meinen ganzen Körper. Bei dieser Prozedur fallen jede Menge abgerubbelte Hautschüppchen zu Boden, als sie mich am Ende erneut mit Wasser übergießt.

In einen Berg aus Seifenschaum gehüllt


In einen Berg aus Seifenschaum gehüllt
Danach werde ich mit dem Ganzkörperpeeling versöhnt: Dorothée bedeckt mich mit einem Berg aus duftendem Seifenschaum – so muss es sich anfühlen, wenn man auf Wolken schwebt. „Reine Kernseife, völlig ohne Zusatzstoffe“, sagt sie, streicht mit jetzt wieder sanften Handbewegungen über meine Haut und massiert den Schaum ein. Ein erneuter Guss, dann beginnt die Ölmassage. Dorothée knetet, walkt, dehnt, drückt und packt dabei genau richtig zu, weder zu zögerlich noch zu heftig.

Bei gedämpftem Licht in Ruhe abkühlen
Als sie mir zum Abschluss den Kopf massiert und die Haare wäscht, bin ich kurz versucht zu fragen, ob sie einen Fanclub hat und ob ich ihm beitreten kann. Eingehüllt in einen Bademantel und mit einem Handtuchturban auf dem Kopf, gehe ich in den Ruheraum, den Camekan. „Dort kommt der Körper wieder auf Normaltemperatur“, verabschiedet mich Dorothée. Der große Raum wirkt so, wie sich ein Westeuropäer den Harem eines Sultans vorstellt: gedämpftes Licht aus einem imposanten Kronleuchter, dazu Kerzen, glitzernde Dekostoffe, viele mit Brokat bezogene Kissen, Nackenrollen, Fußhocker und bequeme Polster, auf denen Frauen in Bademänteln mehr liegen als sitzen und süßen Granatapfeltee trinken. Auch ich suche mir eine bequeme Ecke – und tue etwas für mich sehr Ungewöhnliches: nichts.

Entspannt und frisch zurück in den Alltag
Nachdem ich den Flüssigkeitsverlust durch das Schwitzen mit viel Tee ausgeglichen habe, bin ich schließlich so weit, wieder in meine Alltagskluft zu steigen und meinen Ausflug in den Orient zu beenden. Nach drei Stunden, die wirklich wie im Flug vergangen sind, verabschiede ich mich. Bin ich jetzt ein anderer Mensch, wie Nazli versprochen hatte? Das sicher nicht. Aber ein deutlich entspannterer, der sich richtig wohlfühlt in seiner frisch abgeschmirgelten Haut.

Enstpannung für den ganzen Körper


Enstpannung für den ganzen Körper
Wie wirken die Bürstenmassage und der Seifenschaum auf die Haut?
Beides regt die Haut und das Unterhautfettgewebe an, die Durchblutung wird gesteigert. Die Behandlung hat einen Peeling-Effekt. Die oberen Hornhautschuppen werden durch das Bürsten abgetragen, die Haut wird glatter und für eine kosmetische Behandlung perfekt vorbereitet.

Tun Wärme und Wasser der Haut und dem Kreislauf gut?
Ja, absolut. Das Nervensystem ist mit der Haut verbunden und leitet die wohltuende Wirkung von Wärme und Wasser an das Gehirn weiter, sodass sich der gesamte Organismus entspannt.

Kann die türkische Massage auch medizinische Therapien ersetzen?
Nein. Ein Besuch im Hamam ist eher Wellness. Er kann allerdings zu mehr Ausgeglichenheit von Körper und Seele führen und dadurch indirekt auch eine medizinische Wirkung haben.

Wie oft sollte man in den Hamam?
Da bei jeder Behandlung ein Peeling-Effekt entsteht, die Haut danach also Zeit zum Regenerieren braucht, sollte man nicht öfter als zweimal im Monat in das Bad.

Kann der Hamam schaden?
Wenn man Herz-Kreislauf-Probleme hat, an rheumatologischen oder anderen entzündlichen Krankheiten leidet, sollte man vorher zur Sicherheit seinen Arzt um Rat fragen.

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