Brustkrebs-Aktivistin im Interview: "Wegschauen schützt nicht vor Krebs"

Bei uns dreht sich in diesem Monat alles um das Thema Brustkrebs. Alexandra von Korff hat nach ihrer Diagnose den Blog Kick Cancer Chick gestartet. Bis heute setzt sich die Aktivistin dafür ein, das Thema Krebs aus der Tabuzone herauszuführen. Mit uns hat sie über ihre persönlichen Erfahrungen im privaten Umfeld und die Behandlung gesprochen. 

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. In Deutschland erkranken in ihrem Leben 13 von 100 Frauen an dem bösartigen Tumor. Eine recht hohe Quote. Umso erstaunlicher ist es, dass das Thema Krebsvorsorge und das Abtasten der eigenen Brust bis heute als Tabuthema gilt. Alexandra von Korff ist Krebsbloggerin und Podcasterin und setzt sich dafür ein, aufzuklären. 

Interview mit Alexandra von Korff 

Du hast 2017 die Diagnose Brustkrebs erhalten. Was geht einem in diesem Moment durch den Kopf? 

Das erste war - Ich? Brustkrebs? Das kann doch nicht sein? Ich kenne niemanden, der Brustkrebs hat und dann bin ich sehr offen damit umgegangen, habe sofort alle informiert, weil ich Angst vor den Reaktionen hatte und dass meine Mitmenschen unsicher wären, ob sie mich ansprechen können? Hinter unserem Rücken reden.

Hast du den Knoten selber gespürt? 

Ich war im Mai noch bei der Gynäkologin und sie hatte die Brüste abgetastet, obwohl ich noch gestillt habe. Hier möchte ich gleich mal mit einem Mythos aufräumen - Frauen können auch während der Schwangerschaft und des Stillens Brustkrebs bekommen. Es war nichts. Am 31.8.2017 kam dann die Diagnose und das auch nur per Zufall, weil ich beim Duschen einen kastaniengroßen Knubbel getastet hatte. Und Hand aufs Herz - ich habe mir NIE die Brüste selber abgetastet. Es war einfach nur Glück!

Wie hat sich dein Leben nach der Diagnose „Brustkrebs“ verändert? Hast du offen mit deinen Kindern darüber gesprochen? 

Meine Kinder waren erst 1 und 2 und so haben wir Bücher gelesen und ich habe sichergestellt, dass ich sie immer abhole so weit das ging. So war es mir zum Beispiel wichtig, dass sie dabei sind, wenn ich die Glatze rasiert bekomme, damit es keine Überraschung ist, dass ich plötzlich keine Haare mehr habe. Da ich keine Perücke getragen habe, wurde es im Alltag schnell normal, dass ich keine Haare mehr hatte. Ich war auch mit der Glatze im Kindergarten und habe es den Kindern erklärt. Was erst später kam, war dann die Realisation, dass man an Krebs auch sterben kann.

Inwiefern hat dir dein Blog Kick Cancer Chick geholfen, mit der Krankheit umzugehen?

Total - am Anfang war es ein reines Infoportal für alle Freunde und Familien, die wissen wollte, wo ich gerade stehe, wie es mir geht und was der Arzt gesagt hat. Dabei habe ich gemerkt, wie es mir guttat alles aufzuschreiben und ich stellte fest, dass Krebs noch so ein Tabuthema war und ist. Deshalb habe ich meinen Blog und meine Geschichte öffentlich gemacht und in der Reha dann auch das Konzept für den Podcast 2 Frauen, 2 Brüste geschrieben.

Welche Erfahrung hast du mit den Ärzten gemacht, die dich behandelt haben und wie viel Selbstbestimmung gibt es überhaupt noch nach der Diagnose?

Selbstbestimmung ist das erste, was ich gefühlt verloren habe. Ich war in einer Maschinerie und man muss ja nicht nur die Therapie angehen, sondern das ganze Leben drumherum organisieren. Und dann ist da noch der ganze administrative Kram. Ich habe - wie bei jeder Arzterfahrung - gutes, sehr gutes und nicht so gutes Personal kennengelernt. Ich sage bewusst nicht Ärzte und Ärztinnen, weil der Dialog und die Kommunikation auf vielen Ebenen stattfindet. Zum Thema Therapieentscheidung, hatte ich das Glück eine Ärztin zu haben, die mir das Gefühl gab, dass ich in guten Händen bin und mich gleichzeitig respektvoll eingebunden hat. Am Anfang ist man absoluter Laie - es hagelt Fachbegriffe und ich muss Entscheidungen in einem Bereich treffen, in dem ich mich absolut nicht auskenne. Mit der Zeit lernt man dazu, erfährt auch von vielen Fehldiagnosen und sieht, wie man als informierter Patient die bestmögliche Therapie bekommen kann. Aus diesem Grund präsentieren wir bei patients today in kostenfreien und leicht verständlichen Videos die neusten Erkenntnisse der großen internationalen Krebskongresse für Betroffene und Interessierte.

In dem Podcast 2 Frauen, 2 Brüste sprechen Alexandra von Korff mit Paulina Ellerbrock über ihre Krebsdiagnose im jungen Alter: 

Mit welchen Veränderungen des Körpers hattest du zu kämpfen? 

Haarausfall war ja klar - allerdings sprechen wir hier von der gesamten Körperbehaarung. Und obwohl ich mit der Glatze kein großes Thema hatte, fiel es mir mit den Wimpern, Augenbrauen und - das war eine Überraschung - Nasenhaaren sehr schwer. Worauf einen niemanden vorbereitet, ist der Effekt der Medikamente auf die Psyche: Rastlosigkeit bei völliger Erschöpfung, Dünnhäutigkeit, gepaart mit Hitzewallungen durch die künstlich herbeigeführten Wechseljahre, Knochenschmerzen, Atemlosigkeit, Gewichtsverlust, Gewichtszunahme und eine Fatigue, unter der ich leider bis heute leide. Die Liste ist lang und ganz individuell. Ich muss allerdings sagen, dass ich mich als Typ in dieser Zeit auch neu entdeckt habe. Ich mochte mich mit der Glatze (zumindest am Anfang) und habe mich kleidungstechnisch auch mal was getraut, mit Farben und Stilen und das war eine sehr positive Entwicklung.

Du setzt dich aktiv für eine schnellere Früherkennung und Aufklärung bei dem Thema ein. Was glaubst du, muss noch passieren? 

Krebs ist immer noch ein Tabu und ich glaube, dass ein offenerer Umgang mit dem Thema die Menschen realisieren lässt, dass es jeden zweiten im Laufe seines Lebens trifft und dass es nicht immer nur "die anderen" sind. Krebs ist bedauerlicherweise immer noch unsichtbar und was ich nicht sehe, das gibt es auch nicht. Wegschauen schützt aber leider nicht vor Krebs, frühes Erkennen verbessert die Überlebenschancen allerdings in den meisten Fällen deutlich. Ich würde mir ein individuelleres und flexibleres Früherkennungssystem wünschen, dass auch genetische Daten ganzheitlicher integriert.  

Was muss sich an unserem Gesundheitssystem ändern? 

Wir brauchen Tools, die den Alltag der PatientInnen und des medizinischen Personals erleichtern und Daten, die eine Behandlung optimieren. Wir sind bedauerlicherweise immer noch abhängig vom Faktor Glück. Glück bei wem wir behandelt werden, Glück, ob er oder sie unsere Daten hat und Glück, ob diese Person über alle neusten Erkenntnisse informiert ist. Das wertvollste Gut - gerade bei Krebspatienten, aber eigentlich bei allen Menschen - ist Zeit und hier sehe ich noch sehr viel Verbesserungspotential. Wir wollen durch Technik ja nicht den menschlichen Aspekt eines Arzttermins ersetzen, aber den Zeitaufwand auf beiden Seiten reduzieren. Wir müssen weg von Fotokopien, Faxen, Stickern und Durchschlagformularen. Ich bin es einfach leid meine Geschichte immer und immer wiederzuerzählen und was hat es für Folgen, wenn ich beim zehnten Mal dann ein wichtiges Detail vergesse?

Warum glaubst du, ist Brustkrebs und Krebs generell ein Thema, über das immer noch zu wenig gesprochen wird, auch wenn es so viele Menschen betrifft?

In meinem Alltag sehe ich leider immer noch, dass es ein Tabu ist. Es hat sich in den letzten Jahren viel geändert und gleichzeitig muss sich noch so viel ändern. Der Grund für die Ecke, in die der Krebs immer wieder gedrängt wird, ist Angst. Die Angst vor dem Tod und die Hoffnung, dass wenn man es nicht sieht, dass es dann auch nicht da ist. Die typische Vogel Strauss Taktik. Leider schützt das Wegschauen nicht - ganz im Gegenteil.

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