Interview

Brustkrebs-Früherkennung 2025: Mammographie ab 45, mehr Medikamente und der Einsatz von KI – was die Forschung jetzt verändert

Was gibt es Neues in Sachen Brustkrebsforschung? Wie sieht die Zukunft von Prävention und Therapie aus? Unsere Experten klären im Interview auf.

Eine Gynäkologin schaut sich das Bild einer Brust an, die gerade mithilfe einer Mammographie untersucht wird

Durch Mammographie werden Veränderungen der Brust schnell sichtbar 

© praetorianphoto / iStock

FÜR SIE: Frau Dr. Buck, wo stehen wir im Oktober 2025 in der Früherkennung von Brustkrebs? 

Nina Buck: Neue Zahlen zeigen, dass die Brustkrebssterblichkeit durch die Teilnahme am Mammographie-Screening um 20 bis 30 Prozent gesenkt wird. Das heißt, jeder vierte Brustkrebstodesfall kann durch die Teilnahme am Mammographie-Screening vermindert werden. Aktuell werden Frauen ab 50 Jahren alle zwei Jahre dazu eingeladen. 

FÜR SIE: Wird das Alter eventuell gesenkt?

Nina Buck: Es ist geplant, das Mammographie-Screening auszuweiten, sodass auch Frauen ab 45 bereits teilnahmeberechtigt sind. Die Teilnahme an der Früherkennung ist so wichtig, weil Brustkrebs zu den Krebsarten zählt, die - früh erkannt - gute Heilungschancen haben. 

FÜR SIE: Einige Frauen gehen aber dennoch nicht gerne zur Mammographie, weil sie Angst davor haben. 

Nina Buck: Bei der Mammographie wird die Brust zwischen zwei Platten zusammengedrückt. Einige Sekunden und dann automatisch wieder gelöst. Diese Kompression ist notwendig, weil so das Gewebe auseinander gedrückt wird und Veränderungen besser sichtbar werden. Durch die feste Kompression gibt es auf den Bildern keine Unschärfe durch Bewegungen, so können auch kleinste Verkalkungen erkannt werden. Außerdem wird deutlich weniger Röntgenstrahlung benötigt. Vielleicht beruhigt es, zu wissen, dass bei der Kompression keine Strukturen in der Brust verletzt werden. Angstpatientinnen informieren ihren Arzt am besten vor der Untersuchung, sodass auf sie eingegangen werden kann.

Dr. med. Nina Buck von der Radiologischen Allianz

Dr. Nina Buck

Absolventin des Studiums der Humanmedizin an der Universität Hamburg. Tätig als Fachärztin für Radiologie im Mammazentrum der Universitätsklinik Kiel mit Schwerpunkt auf Mammadiagnostik.

 

FÜR SIE: Herr Prof. Schem, auf welche neuen Entwicklungen in der Brustkrebsforschung dürfen betroffene Frauen hoffen?

Christian Schem: Es stehen immer mehr und nebenwirkungsärmere Medikamente zur Verfügung. Wir führen beispielsweise aktuell eine Studie mit Antihormonmedikamenten der neuen Generation durch, die jetzt auch bei früh erkanntem Brustkrebs oral, also als Tablette, gegeben werden 

FÜR SIE: Was hat es damit genau auf sich? 

Christian Schem: Diese Medikamente haben ein besseres Nebenwirkungsprofil als die üblichen Anthormonpräparate. Immer mehr Patientinnen in vorangeschrittener Therapie profitieren von moderneren Medikamenten, sogenannten Antikörpern, die mit einer Chemotherapie beladen sind und zielgerichtet in die Tumorzelle eingeschleust werden. Sie zerstören die Tumorzelle sowie die umliegenden Zellen und wirken dadurch sehr effektiv und zielgerichtet. Diese Mittel zeigen sich in fast allen Studien der normalen Chemotherapie überlegen.

FÜR SIE: Gibt es denn auch schon neue Erkenntnisse zur Prävention? 

Christian Schem: In Sachen Prävention treten wir ein bisschen auf der Stelle. Wir wissen schon, dass der geringe Bewegungsanteil großer Risikofaktor ist, im Vergleich zu anderen Ethnien. Also der Appell an alle Frauen: auf eine ausgewogene, gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung achten.

FÜR SIE: Wo ist die Zukunft der Brustkrebsforschung bereits in den Kliniken angekommen? 

Christian Schem: Die Zukunft fängt in den Kliniken da an, wo Studien durchgeführt werden. Das bedeutet nicht, dass wir – salopp formuliert – irgendetwas am Menschen ausprobieren, was zuvor nur im Labor oder an der Zelle oder im Tier funktioniert hat. Nein, es handelt sich hierbei um den Einsatz von Medikamenten, die entweder aus der Therapie anderer Krankheiten bereits bekannt sind oder erprobt wurden und die nun im Bereich Brustkrebs zielgerichtet eingesetzt werden. Das ist die gelebte Zukunft. Ich kann Patientinnen nur motivieren, an Studien teilzunehmen, sofern es passende für ihre individuelle Erkrankung gibt. Niemand läuft Gefahr, sich hier auf einen unsicheren Weg zu begeben, da Studien zunächst sehr hohe Hürden der Ethik und Patientensicherheit überwinden müssen, bis sie überhaupt starten können. Studien bieten einem häufig die Möglichkeit, moderne Medikamente zu erhalten, die womöglich erst viel später Behandlungs-Standard werden.

FÜR SIE: Und was können wir darüber hinaus selbst tun? 

Nina Buck: Viele Mammakarzinome werden von Frauen selbst entdeckt, deshalb ist es wichtig, auf seine Brust zu achten. Hier darf jeder sein eigenes System entwickeln. Einige Frauen tasten sich regelmäßig ab, andere sind wachsam beim Duschen oder Eincremen. Auch äußerliche Veränderungen, zum Beispiel Hauteinziehungen oder Veränderungen an der Brustwarze, sollte man beim Arzt abklären lassen. Insbesondere, wenn diese nur an einer Brust sind. Wenn man etwas entdeckt, was man nicht kennt oder was Angst macht, sollte immer der Frauenarzt kontaktiert werden.

FÜR SIE: Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz in der Brustkrebsforschung?

Christian Schem: Durch Studien und auch Analysen, die wir Mediziner tagtäglich machen, entstehen wahnsinnig viele Datenmengen. Forscherteams mit menschlichen Köpfen schaffen es nicht, diese Datenmengen zentral so auszuwerten, dass man sie optimal nutzen kann. Deswegen ist IT- und KI-Technik fest in unserer Arbeit verankert. KI hilft uns zum Beispiel dabei, herauszufinden, welche Patientin am besten von welchem Medikament profitiert. Dank KI können auch seltene Verknüpfungen gemacht werden, die aufgrund ihrer Seltenheit sonst höchstwahrscheinlich nicht gefunden worden wären. 

FÜR SIE: Und wie wird Kl in Ihrer Arbeit als Radiologin genutzt, Frau Dr. Buck? 

Nina Buck: Grundsätzlich werden die Mammographieaufnahmen von Menschen regelmäßig kontrolliert. Zusätzlich werden die Mammographien in vielen Zentren mit Hilfe von KI-basierten Algorithmen bewertet. Allerdings ersetzt dies noch keinen der menschlichen Befunder, sondern unterstützt deren Arbeit, indem auffällige Areale markiert und bewertet werden. Die Entscheidung, welche Befunde abgeklärt werden, sowie die Verantwortung liegen weiterhin beim Arzt. Erste Studien zeigen, dass der Einsatz von KI dazu führen kann, dass mehr Karzinome detektiert werden und die Abklärungsrate gutartiger Befunde sinkt. 

FÜR SIE: Welche Forschungsprojekte finden Sie denn aktuell besonders interessant? 

Christian Schem: KI-Projekte sind natürlich wahnsinnig interessant. Aber auch die „normalen“ klinischen Studien, die wir am Mammazentrum Hamburg sehr umfangreich durchführen, sind spannend. Im Rahmen von Studien rutschen moderne Medikamente in der Therapielinie nach vorne, das heißt, sie stehen schon in frühen Krankheitsstadien zur Verfügung. Damit wir die passenden Patientinnen für die Studien auch finden führen wir bei uns ein Pilotprojekt mit Kunstlicher Intelligenz durch. 

Prof. Christian Scham vom Mammazentrum Hamburg am Krankenhaus Jerusalem

Prof. Christian Scham vom Mammazentrum Hamburg am Krankenhaus Jerusalem

Prof. Dr. Christian Schem ist ein Experte auf dem Gebiet der operativen Gynäkologie, Brustchirurgie und Systemtherapie des Mammakarzinoms am Mammazentrum Hamburg,

FÜR SIE: Wie sieht das dann konkret aus? 

Christian Schem: Hierbei werden wir von Computersystemen darauf aufmerksam gemacht, wenn eine Patientin mit ihrem individuellen Erkrankungsprofil zu einer bestimmten Studie passt. So hat der Therapeut die Sicherheit, dass passende Studien von uns oder auch von anderen Einrichtungen in Norddeutschland, mit denen wir vernetzt sind, der betreffenden Patientin vorgeschlagen werden können.

FÜR SIE: Das Mammazentrum Hamburg nimmt auch an der deutschlandweit ersten Brustkrebs-Impfstudie teil. Was hat es damit auf sich? 

Christian Schem: Genau, es handelt sich hierbei nicht um eine Präventionsimpfung, sondern um eine Impfung gegen die Rückkehr eines Tumors mit bestimmten Eigenschaften. Damit betreten wir absolutes Neuland. 

FÜR SIE: Welche Weiterentwicklungen gibt es in der Früherkennung? 

Nina Buck: Eine Weiterentwicklung der 2D-Mammographie ist die 3D-Mammographie, auch Tomosynthese genannt. Bei ihr werden pseudodreidimensionale Aufnahmen der Brust erstellt, die es ermöglichen, auch Mammakarzinome zu entdecken, die sonst durch das umgebende Brustgewebe verdeckt sind. So können nicht nur mehr, sondern auch kleinere Mammakarzinome diagnostiziert werden. 

FÜR SIE: Das macht Hoffnung! Wo können Frauen sich über aktuelle Entwicklungen informieren? 

Christian Schem: Bei lokalen Krebsgesellschaften. Darüber hinaus empfehle ich meinen Patientinnen immer auch eine Selbsthilfegruppe. Es gibt im Internet gute Beispiele wie „Mamma Mia“ oder die „Allianz gegen Brustkrebs“. Sie bieten Fortbildungen an, laden Experten ein, führen Kongresse durch und vernetzen sich untereinander. Ich würde bei der Auswahl darauf achten, dass es sich um eine Organisation handelt, die keine kommerziellen Interessen hat. Von Brustkrebspatientin zu Brustkrebspatientin also – das ist ein unendlich wertvoller und auch empowernder Austausch. 

Dieser Artikel erschien zum Teil ursprünglich in FÜR SIE 22/25