
Mette Wendelboe Okkels ist der kreative Kopf hinter PetiteKnit - und die Erfinderin des Sophie Scarfs.
Kratzige Pullover, Socken mit gewöhnungsbedürftiger Passform und Strickjacken mit viel zu lagen Ärmeln - kurz: Stricken war lange Zeit ziemlich uncool, irgendwie muffig und altbacken. Nicht selten wurde beim Anblick von Nadeln und Wolle in der Vergangenheit Erinnerungen an Oma und die Bastel-AG in der Schule wach. Bis ein kleiner Schal aus Dänemark die Welt für sich eroberte. Ob im Büro, in den Fußgängerzonen, im Café oder in der Bahn. Egal, wo man dieser Tage auch hinsieht - ob nun nach Deutschland, Schweden oder Dänemark - der sogenannte Sophie Scarf schmiegt sich um die Hälse von Frauen und Männern, ja sogar Kinder und Hunde tragen ihn. Er ist mal Rot, mal Blau, Beige, Grün oder Grau und wird mit einem schlichten Knoten fixiert. Auch der französischen Vogue blieb das neue Trend-Accessoire "um stilvoll der Kälte zu trotzen" nicht verborgen. Alles nur ein Hype, der schnell wieder vorüberzieht? Von wegen. Vielmehr der Anfang einer ganz großen Bewegung...
Von der angehenden Ärztin zur Strickdesignerin
Mette Wendelboe Okkels, die Designerin hinter dem Label PetiteKnit hat das Stricken nicht neu erfunden. Früheste Funde aus Ägypten lassen vermuten, dass das Handwerk schon im 3. bis 5. Jahrhundert praktiziert wurde. In Form von sogenanntem Nadelbinden. Ein Vorläufer der modernen Strickkunst, wenn man so will. Theoretisch stricken wir also schon ganz schön lange. Nur die Lust darauf ist uns in den vergangenen Jahrzehnten irgendwie vergangen. Und genau hier kommt Mette Wendelboe Okkels ins Spiel, die eigentlich Ärztin werden wollte. Nach zehn Jahren aber das Medizinstudium abbrach, um ihr Unternehmen zu gründen: PetiteKnit. Verrückt? Waghalsig? Vielleicht. Für Mette war es der einzig richtige Weg.
Dass die Dänin mit dieser Entscheidung einmal Millionen von Menschen wieder zum Stricken bringen und dem Handwerk neues Leben einhauchen würde, damit hat sie wohl selbst kaum gerechnet: "Im Sommer 2022 wollte ich ein kleines Tuch stricken, das zu allem passt. Es brauchte ein paar Versuche, bis der Ablauf des Musters wirklich stimmig war. Als es schließlich erschien, wurde es sofort ein Bestseller. Ich habe so viele Menschen - Männer wie Frauen - gesehen, die den Schal überall in der Stadt trugen und bald auch überall sonst, wo ich hinkam", verrät sie mir.
Stricken als Gegenbewegung zum Schneller-Höher-Weiter
Gegründet hat sie ihr Label PetiteKnit im Jahr 2016 in Risskov in Aarhus. Damals wurde das Hobby noch belächelt und nicht selten mit eifrigen Großmütterchen im Ohrensessel in Verbindung gebracht. Heute? Sieht das Bild anders aus. Junge Erwachsene und selbst Teenager:innen greifen wieder zu Nadel und Faden. Dank Mette und ihrem Sophie Scarf. Viele fragen sich sicher, warum. Gestrickt wurde schließlich schon immer. Mette ist es mit ihrem kleinen Schal jedoch erst gelungen, die Scheu und die Vorurteile gegen dieses Handwerk zu nehmen. Ihre Designs sind schlicht, zeitlos und modern. Vor allem aber: nahbar.
Genau darin liegt vermutlich auch das Geheimnis hinter dem Erfolg von PetiteKnit. Mette Wendelboe Okkels zeigt, dass Stricken weder ein nostalgisches Hobby noch eine komplizierte Handwerksdisziplin sein muss, für die man jahrelange Übung braucht. Vielmehr ist das Ganze ein Prozess, der entschleunigen, die eigenen Hände beschäftigen und den Kopf frei machen soll. Das steckt an. Gerade in Zeiten von Doomscrolling, KI & Co. ist es nicht verwunderlich, dass wir uns wieder nach etwas sehen, was Bestand hat. Das sich greifbar und echt anfühlt.

Mette Wendelboe Okkels ist die kreative Seele hinter dem Stricklabel PetiteKnit aus Dänemark.
Eine kleine Pause vom Lärm da draußen
Und so wird aus einem simplen Schal plötzlich viel mehr als nur ein Accessoire. Der Sophie Scarf ist ein Symbol unserer Generation geworden. Für Selbstwirksamkeit. Für Kreativität. Für eine kleine Pause vom Lärm da draußen. Und vielleicht auch ein bisschen für das Gefühl, wieder etwas mit den eigenen Händen schaffen zu können – in einer Zeit, in der vieles immer schneller, digitaler, flüchtiger wird. Ein Projekt, das man in der Bahn aus der Tasche zieht oder abends im Café weiterstrickt, ohne dass jemand komisch guckt. Stattdessen nicken Menschen anerkennend, fragen nach der Farbe, nach der Anleitung, nach dem Garn. Und manchmal auch: Ist das von PetiteKnit?
Stricken verbindet. Dass ausgerechnet Mette diese Bewegung angestoßen hat, wirkt fast logisch. Sie ist niemand, der etwas mit Gewalt modernisieren oder auf Hochglanz polieren will. Sie lebt vor, dass gute Ideen leise entstehen können, an Küchentischen, unterwegs, zwischen Alltag und Familienleben. Ihre Community spürt das. Und sie spürt, dass Mette all das nicht tut, um Trends hinterherzujagen – sondern weil sie selbst glaubt, dass Stricken ein Stück Lebensqualität bedeutet.
Stricken ist heute Ausdruck von Stil, Ruhe und Haltung
Heute folgen Mette Wendelboe Okkels Millionen. Studieren ihre Anleitungen, diskutieren Garnstärken, passen Maschenproben an und teilen stolz ihre fertigen Werke auf Social Media. Was früher belächelt wurde, ist jetzt Teil eines neuen Selbstverständnisses: Stricken ist nicht altmodisch, sondern Ausdruck von Stil, Ruhe und Haltung. Es ist ein Gegengewicht zu dem, was uns täglich überrennt. Ein analoger Anker in einer digitalen Flut. Und Mette? Sie bleibt dabei die gleiche: eine ruhige, kreative Kraft, die lieber hinter ihren Designs steht als im Rampenlicht. Die lieber zeigt als erklärt, lieber inspiriert als inszeniert.
Mit jedem neuen Stück, das sie entwirft, öffnet sie Türen – für Anfänger:innen, Fortgeschrittene und alle, die einfach neugierig sind. Vielleicht macht gerade das PetiteKnit so besonders: Mit jedem Design schenkt Mette Wendelboe Okkels uns ein Stück Entschleunigung zurück. Ein Gefühl, das wächst, leise und stetig, Masche für Masche. Und so wird ein kleiner Schal zu einer stillen Rückkehr zu uns selbst. Ist das nicht wundervoll?

Ein Blick in das Studio von PetiteKnit-Gründerin Mette Wendelboe Okkels.
Mette Wendelboe Okkels im Interview
Zwischen skandinavischer Schlichtheit und handgemachter Wärme hat sich das dänische Stricklabel PetiteKnit zu einer der einflussreichsten Marken der modernen DIY-Szene entwickelt. Gründerin Mette Wendelboe Okkels trifft mit ihren klaren Designs, hochwertigen Materialien und einem feinen Gespür für Zeitgeist den Nerv einer weltweiten Community. Was als persönliches Hobby begann, wurde zu einer Bewegung: Menschen auf der ganzen Welt stricken nach ihren Anleitungen – und finden darin Ruhe, Kreativität und ein Stück Selbstwirksamkeit. Im Gespräch hat mir Mette Wendelboe Okkels erzählt, warum das Sophie Scarf ein Überraschungserfolg wurde, wieso Aufribbeln zum kreativen Prozess dazugehört und weshalb Stricken in einer digitalen Welt vielleicht wichtiger ist denn je.
fuersie.de: Dein Sophie Scarf ist dein begehrtestes Stück. Wie bist du auf dieses Design gekommen – und welche Geschichte steckt dahinter?
Im Sommer 2022 wollte ich ein kleines Tuch stricken, das zu allem passt. Ich hatte bereits ein paar Seidentücher, und das gestrickte Tuch sollte genauso leicht zu stylen und gleichzeitig einfach zu stricken sein. Es brauchte ein paar Versuche, bis der Ablauf des Musters wirklich stimmig war. Als es schließlich erschien, wurde es sofort ein Bestseller. Ich habe so viele Menschen - Männer wie Frauen - gesehen, die den Schal überall in der Stadt trugen und bald auch überall sonst, wo ich hinkam
fuersie.de: Jeder Strickerin kennt den Moment des Aufribbelns. Wie gehst du als Designerin mit Fehlern oder Neustarts um – und gab es ein Projekt, das dir eine wichtige Lektion beigebracht hat?
Ich ribble sehr viel auf, weil es Teil des Prozesses ist. Ich beginne mit einer Idee davon, wo ich landen möchte, aber oft braucht es mehrere Anläufe, bis ich wirklich dort ankomme – und manchmal passiert das auch gar nicht. Ich habe gelernt, dort zu stricken, wo die Energie ist. Wenn ich das Gefühl habe, dass ein Projekt in keine Richtung geht, lasse ich es lieber erst einmal liegen, anstatt es gewaltsam zu meinem neuen Lieblingsstück machen zu wollen. Manchmal finde ich dann später die Maschenproben, das Garn oder meine Notizen – und plötzlich ist die Energie wieder da. Dann wird es vielleicht nicht das ursprüngliche Projekt, aber oft etwas Neues. Ein Neustart kann also zu neuen Ideen führen und neu anzufangen ist immer besser, als etwas fertigzustellen, das man niemals lieben wird.
fuersie.de: Gibt es ein Garn oder eine Faser, in die du dich sofort verliebt hast?
Ich stricke am liebsten mit Naturfasern, und nichts übertrifft wirklich reine, griffige Wolle – auch wenn die Weichheit von Kaschmir knapp dahinter liegt.
fuersie.de: Wann genießt du persönlich das Stricken am meisten – beim Morgenkaffee, abends auf dem Sofa oder unterwegs? Und strickst du noch für dich selbst?
Obwohl Stricken mein Beruf ist, genieße ich es immer noch unglaublich und tue es so viel wie möglich. Ich stricke überall und zu beinahe jedem Anlass. Oft nehme ich mehrere Projekte mit, falls ich Lust auf Abwechslung habe oder falls der Moment nicht der richtige ist für ein komplizierteres Muster oder eines, bei dem ich noch bestimmte Teile herausfinden muss. Am meisten genieße ich das Stricken, wenn ich richtig Zeit dafür habe. Wenn es kein gehetzter Rundgang oder nur ein paar Maschen sind. Die Arbeit mit den Nadeln inspiriert mich sehr, und ich denke viel nach, während ich stricke. Deshalb vermisse ich es, wenn mir die Zeit dazu fehlt.
fuersie.de: Wie werden wir deiner Meinung nach in zehn Jahren stricken – wird die digitale Welt das Handwerk verändern oder bleibt Stricken ein zeitloser Gegenpol?
Ich hoffe, dass ich viel von dem tun werde, was ich heute tue: designen und Techniken, Materialien und Farben erkunden. Ich glaube, dass die zunehmende Digitalisierung unseres Alltags schon jetzt viele Menschen zum Stricken bringt, weil wir uns generell danach sehnen, unsere Hände zu benutzen und ein physisches Handwerk zu erleben, das sowohl Körper als auch Geist verlangt. Je mehr Zeit wir online oder an Geräten verbringen, desto größer wird meiner Meinung nach das Bedürfnis nach etwas wie dem Stricken werden.
fuersie.de: Wenn du an all die Menschen denkst, die nach deinen Designs stricken: Welche Botschaft möchtest du ihnen mitgeben – jenseits der Handarbeit selbst?
Ich hoffe, dass ich Menschen dazu inspiriere, den Wert von Dingen zu sehen, die sie mit ihren eigenen Händen herstellen. Wenn man sich die Zeit nimmt, kann man etwas erzeugen, das genauso gut oder oft sogar besser ist als das, was man kaufen kann. Und wenn man es selbst gemacht hat, kümmert man sich auch mehr darum – weil es Stunden des Aussuchens von Garn und Farben und des Strickens jeder einzelnen Masche repräsentiert.






