Höhepunkt der Erotik-Literatur

Höhepunkt der Erotik-Literatur

Geschichten über miserable Liebhaber, Orgasmusprobleme oder Seitensprünge, von Frauen für Frauen geschrieben. Beim Thema Sex gehen Schriftstellerinnen heute deutlicher denn je zur Sache. Zeit wird’s, meint Buchautorin Nina George. Denn eine literarische Sex-Revolution ist immer auch ein Befreiungsakt.

Frau liest Sex-Lektüre© iStock/Thinkstock
Höhepunkt der Erotik-Literatur

Manche Sätze vergisst man nie. „Ich weigere mich, in der normalen Welt als normale Frau zu leben. Ich will Ekstase!“ Als ich diese Worte von Anaïs Nin las, war ich gerade mal 14. Sie veränderten meinen Blick auf Frauen, Männer und Sex für immer. Um den Einband der Tagebücher, in denen Nin ihre sexuellen Erlebnisse beschreibt, hatte ich damals zur Tarnung den Umschlag „Flora der alpinen Bergwelt“ geschlungen.

Heutzutage versteckt wohl niemand mehr Bücher mit pikantem Inhalt unter einem „Feigenblatt“ – im Gegenteil, erotische Literatur aus weiblicher Feder erlebt einen Höhepunkt: Buchläden ordern Großpakete, Verlage präsentieren die Bücher als Spitzentitel, Schreibkurse für Erotika sind in jeder Prosawerkstatt ausgebucht. Und statistisch liest inzwischen jede vierte Frau Bücher, in denen es um Sex geht.

„Es ist salonfähig geworden, sich mit erotischer Literatur zu beschäftigen“, sagt Timothy Sonderhüsken, der beim Droemer-Knaur-Verlag die Unterhaltungsliteratur, Schwerpunkt Erotik, betreut. „Die Leserinnen sind selbstbewusster geworden und trauen sich jetzt mit den Büchern an die Kassen. Vor allem wenn es sich um fröhliche, abenteuerlustige und wirklich erotische Geschichten handelt.“

Reports von Hobby-Huren (Sonia Rossi: „Fucking Berlin“), kulturhistorische Betrachtung des Genitals (Mithu M. Sanyal: „Vulva“), sexuelle Bekenntnisse von Teenagern (Rebecca Martin: „Frühling und so“) – die Palette der weiblichen Erotikbekenntnisse ist vielfältig wie nie. Drastisch, sinnlich, vulgär oder philosophisch, mal mit Happy End, mal voller Albträume und Frustration.

© Andrzej Tokarski - Fotolia
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Intim-Literatur

Gegeben hat es Intim-Literatur von Frauen zwar schon lange vor diesen Büchern. Aber: Man bestellte sie am liebsten per Post. Auf dem Buchdeckel schmiegten sich Damen im zerrissenen Leibchen an breitbrüstige Piraten. Der Inhalt war ein Mix aus Liebeskitsch und Schwulsterotik („Ich zerfloss unter seinem fordernden Verlangen“). Und über die wahre weibliche Sexualität erfährt man nichts. Die neue Erotikbuch-Generation ist direkter. Unverhohlen werden Dinge beim Namen genannt. Vage Umschreibungen wie „Lustgrotten“ oder „pochende Männlichkeiten“ sucht man vergeblich, die Sprache ist ehrlich wie in Sexforen.
„Das anonyme Chatten lässt die Schamgrenzen fallen“, so Claudia Gehrke, die in ihrem konkursbuch Verlag mit der Reihe „Mein heimliches Auge“ bereits seit den 80er Jahren Erotika verlegt. „Plötzlich schreiben Frauen auf, was sie wirklich denken, sie formulieren vulgärer, expliziter.“ Klare Worte sind gefragt. „Wir wollen keine Schnulzen, in denen sexuell frustrierte Karrierefrauen von Schlipsträgern Richtung Ehehafen verführt werden“, sagen Ulrike Fischer, Sylvia Gelinek und Jennifer Hirte, die Macherinnen der Erotik-Reihe „Anaïs“ im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf. Seit „Frühling und so“, das sich in vier Monaten über 100.000-mal verkaufte, erschienen zwölf Anaïs-Romane von Frauen. Die Gründerinnen sind überzeugt: „Erotische Romane können wir Frauen selbst am besten schreiben.“

Stimmt. Können wir. Aber wir trauen uns das nur alle paar Dekaden. Bücher schreiben zu dürfen war bis vor rund hundert Jahren ein aufreibender Akt der Emanzipation; dieser Kampf prägte den Inhalt der Frauenliteratur. Sex inWorte zu fassen war stets auch ein Befreiungsakt der Frauenbewegung. Werke von Literatinnen wie George Sand im 19. Jahrhundert oder Simone de Beauvoir in den 70er Jahren sorgten für ähnlichen Aufruhr in der Gesellschaft wie heute die erotische Literatur junger Schriftstellerinnen. Weil sie etwas verändern: Tabus aufbrechen, Klischees entlarven. Die jüngste Generation schreibt über miserable Lover, Orgasmusprobleme und Abgründe devoter Sexspiele – als Ausgleich zu all jenen Sexratgebern, die uns die perfekte Erotik vorgaukeln.

Ich bewundere diese Frauen. Sie werden gefeiert – und gehasst: Erotische Literatur zu lesen mag salonfähig sein. Aber, und das ist meine Erfahrung als Sexautorin, sie zu schreiben nicht. Man bleibt in der „normalen“ Welt sexuell verdächtig. Schreiben wir weiter dagegen an.

Die Journalistin und Schriftstellerin Nina George (35) hat unter dem Pseudonym Anne West zwölf Sachbücher rund um Sex und Liebe veröffentlicht. Zuletzt erschienen von ihr unter anderem „Feeling – das Gefühl. Liebe, Sex und Erotik ein Leben lang“ (Knaur, 8,95 Euro) sowie „Wie der Teufel es will“ (Fischer, 8,95 Euro). Weitere Infos im Internet: www.ninageorge.de.

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