
Hundeexperte Martin Rütter ist aktuell auf Tour mit seinem Programm „Der will nur spielen“.
Mensch und Hund haben einiges gemeinsam – sind aber in vielen Hinsichten unterschiedlich. Vor allem, wenn es um Kommunikation geht, kann das zu Missverstädnissen führen. Hunde-Coach Martin Rütter verrät uns im Interview, wie wir dies erkennen und vermeiden.
Für Sie: Herr Rütter, welche „Sprache“ nutzt der Hund, um sich zu verständigen?
Hunde kommunizieren hauptsächlich visuell, also mittels Körpersprache. Vokabeln, wie wir Menschen sie aus unserer Sprache kennen, gibt es bei Hunden nicht. Mimik, Körperhaltung und Bewegungsformen sind bei Hunden viel wichtiger und entscheidender als die Lautsprache. Das Bellen wird zwar unterstützend eingesetzt, spielt jedoch nur eine untergeordnete Rolle.
Um Hunde zu verstehen, muss man also lernen, ihre Körpersprache zu lesen. Wichtige Anzeichen sind dabei zum Beispiel die Stellung der Ohren, der Blick, die generelle Körperhaltung sowie die Rutenhaltung. Ein Hund, der die Ohren anlegt, mit dem Blick ausweicht, sich mit einem runden Rücken klein macht und die Rute einzieht, zeigt zum Beispiel, dass er gerade Angst vor etwas hat und sich unsicher fühlt.
Ein Hund mit durchgedrückten Beinen, aufgerichteter Rute, aufgerichtetem Kopf, mit aufgestellten Ohren und fixierendem Blick zeigt dagegen ein Imponierverhalten.
Für Sie: Haben Sie konkrete Beispiele für Signale des Hundes und die häufigsten Interpretationsirrtümer beim Menschen?
Da steht das Anspringen bei der Begrüßung ganz weit vorn. Das wird so gut wie immer als Freude des Hundes gewertet. In den wenigsten Fällen ist es aber freundlich gemeint, sondern viel häufiger als Korrektur am Menschen, der den Hund nicht mit nach draußen genommen hat.
Oder das Schwanzwedeln, das die meisten Leute ebenfalls generell als Freude interpretieren. Dabei kann das sehr unterschiedliche Bedeutungen haben. Wenn etwa der Körper beim Wedeln ruhig ist und der Hund hält dabei den Kopf leicht abgesenkt und fixiert sein Gegenüber, zeigt die wedelnde Rute lediglich die Aufregung des Hundes kurz vor einem Angriff.
Für Sie: Wie reagiere ich auf einen unbekannten Hund, der mich anknurrt oder angreift?
Das ist individuell und hängt stets von der jeweiligen Situation ab. Ich habe aber einen grundsätzlichen Tipp: Fühlt man bei einem frontal herankommenden Hund Unbehagen, nicht wie zur Salzsäule erstarrt fixieren, sondern etwas zur Seite drehen und an ihm vorbeigucken. Das reicht bei den meisten Hunden aus.
Für Sie: Welche Signale sende ich bewusst oder unbewusst dem Tier gegenüber aus?
Der heikle Punkt ist, dass Missverständnisse bezüglich der Körpersprache und des Verhaltens von Menschen zu aggressivem Verhalten eines Hundes führen können. Zum Beispiel Blickkontakt zu einem Hund zu suchen oder längeres Fixieren. Beides wird vom Hund oft als Drohen interpretiert.
Mit dem Bedürfnis, den Hund zu umarmen, wird häufig die Individualdistanz überschritten, und durch die Umarmung kann für den Hund eine enge oder ausweglose Situation erzeugt werden. Die Umarmung kommt von oben, was ebenfalls als eine Bedrohung betrachtet werden kann. Sich über einen Hund zu beugen kann als eine Dominanzgeste aufgefasst werden, ebenfalls das Über-den-Kopf-Streicheln. Hunde müssen daher von klein auf kennenlernen, dass sich die Körpersprache des Menschen von der eines Hundes an manchen Stellen unterscheidet.
Weil die Körpersprache für Hunde so entscheidend ist, sind sie übrigens auch perfekte Beobachter, die gelernt haben, uns Menschen und unsere Körpersprache zu lesen. Daher scheint es auch oft so, als könne der Hund unsere Gedanken lesen. Schon bevor wir die Fernbedienung in die Hand nehmen, um den Fernseher auszuschalten und zur letzten Runde aufzubrechen, springt der Hund auf und rennt freudig zur Tür. Er hat an unserem Verhalten erkannt, dass gleich das Ende des Abends bevorsteht. Vielleicht weil sein Mensch immer genau in diesem Augenblick tief seufzt, sich einmal streckt oder in Gedanken an den bevorstehenden Spaziergang zur Tür blickt.
Für Sie: Was kann ich tun, wenn der Hund nicht reagiert – also quasi „nicht hört“?
Wer „Warum hört mein Hund nicht?“ fragt, der muss wissen: Hunde hören in der Regel viel besser als wir Menschen, sie wollen in bestimmten Augenblicken nur gerade nicht hören. Sei es, weil sie gerade etwas Spannenderes zu tun haben, wie etwa die Mülltonne leer zu räumen, oder weil sie eine Situation mit einem anderen Hund erst noch klären müssen, bevor sie zum Hundehalter zurückkommen. Erst wenn diese Aufgabe erledigt ist, können sie sich auch wieder ihrem Menschen zuwenden.
Sie sollten Ihren Hund zunächst an eine Schleppleine nehmen, denn nur so können Sie verhindern, dass Ihr Hund Sie weiterhin ignoriert und so vielleicht in eine gefährliche Situation gerät. In einem für den Hund eher langweiligem Umfeld trainieren Sie dann das Heranrufen. Nehmen Sie dazu ein leckeres Futterstück und locken Sie Ihren Hund zu sich. Ist er kurz vor Ihnen, geben Sie ihm ein Signal wie etwa das Hörzeichen „Hier“ und belohnen Sie ihn. Nach einigen Wiederholungen hat Ihr Hund das neue Signal gelernt, und Sie können nach und nach immer mehr Reize und Ablenkungen hinzufügen.
Für Sie: Welche Knackpunkte gibt es noch?
Es gibt drei große Kardinalfehler in der Mensch-Hund-Beziehung. Das ist erstens die extreme Vermenschlichung, denn diese schürt Erwartungen, die der Hund niemals erfüllen kann. Ein Hund kann nicht denken und handeln wie ein Mensch.
Dazu kommt mangelnde Konsequenz, womit ich jetzt nicht Strenge oder Härte meine. Es ist ja so: Menschen stellen Regeln auf, gehen dann aber zu lax mit ihnen um. Immer sonntags darf der Hund mit am Frühstückstisch sitzen und bekommt sein Leberwurstbrötchen, an den anderen Tagen nicht? Das kapiert kein Hund, das verunsichert ihn nur. Ein Hund benötigt klare Regeln, nur so kann er Vertrauen zu seinem Menschen aufbauen und sich auch in schwierigen Situationen auf ihn verlassen.
Ein weiteres Problem ist mangelnde Beschäftigung. Hunde brauchen körperliche und geistige Auslastung.
Wie werden mein Hund und ich ein unschlagbares Team?
Dafür ist es wichtig, dass der Mensch lernt, die Bedürfnisse seines Hundes zu erkennen und zu befriedigen. Erst muss er die Sprache des Hundes erlernen, um den Hund in seinem Verhalten besser verstehen zu können. Und jeder Mensch sollte Wert auf die Grunderziehung des Hundes legen, denn nur ein Hund, der etwa sicher rückrufbar ist, kann Freilauf genießen und so einen Teil seiner Bedürfnisse ausleben. Sowieso sind Regeln und damit auch die eben beschriebene Konsequenz einfach wichtig, weil sie Sicherheit geben.
Martin Rütter bietet auch online Hundetrainingskurse an. Aktuell ist er auf Tour mit seinem Programm „Der will nur spielen“, Termine finden Sie unter martin-ruetter-live.de >>
Interview: Sörre Wieck