
Dirk, 44, & Dagmar, 41
Harmloser Segeltörn auf der Ostsee? Dieser Segeltörn steckte mir noch ewig in den Knochen
Der Skipper hatte uns im Hafen gewarnt: „Die Ostsee kann an dieser Ecke ganz schön gefährlich sein. Die Wellen bauen sich hier schneller auf als anderswo.“ Ich weiß noch: Wir lachten über den Alten. Es war unser erster Sommer im eigenen Segelboot; wir wollten nur noch eine Tagestour von Damp auf die Insel Fehmarn machen. Seltsam, wir sind uns noch heute sicher, dass der Wetterdienst damals nichts von einem Sturm gesagt hat. Klar ist nur, dass uns das Gewitter erwischte, als wir mitten auf der Ostsee waren. Vorher hatte ich mich immer so sicher auf dem Boot gefühlt, das änderte sich jetzt von einer Minute auf die andere. Es war, als segelten wir durch eine Hölle aus Wellen, Regen, Gewitter und elf Windstärken. Mein Freund hangelte sich Richtung Bug, um das Vorsegel zu bergen; ich saß am Ruder, konnte durch Regen und Gischt kaum bis zum Mast sehen. Dirk blieb außer Sicht. Für eine Minute. Für fünf Minuten. Für zehn Minuten. Für eine gefühlte Ewigkeit. Er muss über Bord gegangen sein, schoss es mir durch den Kopf.
Ich saß da im peitschenden Regen und war sicher: Mein Freund, das Boot, ich – keiner von uns würde das hier über - stehen. Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis Dirk durch die Regenwand dann doch wieder auftauchte, die ganze Zeit über war ich wie gelähmt. Ich funktionierte nur noch, konnte mich nicht einmal freuen, dass er da war. Dirk übernahm das Ruder, und mit dem Außenbordmotor retteten wir uns irgendwie in den Hafen. Ich brauchte an Land drei Stunden, bis ich wieder sprechen konnte. Ob dieser Tag unsere Beziehung verändert hat, kann ich nicht sagen. Die große Begeisterung fürs Segeln, die ist bei mir seither weg. Aber wir können zusammen einen Sturm überstehen. So viel steht mal fest.
Liebesurlaub in Lissabon?
Marie Nölting, 38
Du bist grauenhaft“, sagte er. Das sollte unser Liebesurlaub sein?
Das war eine sehr dumme Idee: Ich (Marie Nölting, 38) schenkte meinem Liebsten Lissabon. Eine Woche für drei gemeinsame Jahre. Raus aus dem rauen Alltag. Händchenhalten an der Tejomündung. Shopping in der Rua Augusta, und er bewundert das neue Kleid. Gassen gucken in der Altstadt, frischer Fisch und weingetränkte Küsse an unserem Jahrestag. Ich erwartete, dass er vor Freude pfeift. Es passiert das, was passiert, wenn zwei die Zweisamkeit erzwingen wollen. Altstadt. Früher Abend. Fado. „Dieses Gewinsel verklebt einem die Ohren!“ Er schluckt Whisky. Ich sage: „Musst du immer so zynisch sein? Für dich ist etwas entweder gut oder gleich Kitsch.“ Deutliche atmosphärische Störung vor dem Schlafengehen. Aber morgen wird alles gut.
Ihm ist der Tag etwa 30 Grad zu warm. Ich will shoppen. Er sagt: „Keinen Bock auf Konsumtrip. Ich suche mir lieber einen schattigen Platz am Tejo.“Getrennte Wege, gemeinsames Dinner. „Du wolltest ja unbedingt hierher“, mault er. „Muss immer alles nach deinem Kopf gehen?“, patze ich zurück. Versöhnungsversuch von ihm: „Klasse Blick auf die Alfama, was? Gehen wir noch ein Stück?“ Mannomann, leg dich doch gehackt! Am vierten Tag machen wir Sightseeing und mäkeln wieder aneinander herum. Am fünften Tag, so um zwei Uhr nachts im Szeneviertel Bairro Alto, fällt von ihm der Satz: „Du bist eine grauenhafte Gesellschaft“, danach keiner mehr. Am sechsten bleibt er im Bett, ich streife über den Flohmarkt. Die Ausbeute: zwei alte Kacheln. Wie entspannt das Leben doch sein kann. Ohne ihn. Das ist mir an dem Tag klar geworden. Und machte Schluss.
Sri Lanka nach dem Tsunami
Maren Bünemann, 58
Der Tsunami hatte alles zerstört. Als ein Mädchen meine Hand nahm, kamen mir die Tränen
Unseren Urlaub auf Sri Lanka hatten mein Mann und ich (Maren Bünemann, 58) fast ein ganzes Jahr im Voraus geplant. An Weihnachten 2004 saßen wir dann vorm Fernseher und sahen, wie der Tsunami unser gebuchtes Paradies in ein Katastrophen gebiet verwandelte. „Kommt trotzdem, bitte“, sagte unser Reiseführer Siri Manawadu am Telefon. „Wir brauchen euch. Wenn jetzt auch noch die Touristen ausbleiben, haben wir nichts mehr!“ Also flogen wir, wenn auch mit komischem Gefühl. Vier Wochen nach der Katastrophe, mit einer der ersten Linienmaschinen, die das Land wieder erreichten. Siri zeigte uns sein Dorf, das 600 Meter vom Strand entfernt liegt.
In den Straßen lagen entwurzelte Palmen und Trümmer, in den Häusern stand knöcheltief der Schlamm. Auf dem Hof der Schule, in der Tafel, Stühle und Tische schimmelten, waren wir plötzlich von Kindern umringt. Neugierig guckten sie uns an, und als ein kleines Mädchen seine Hand in meine schob, kamen mir die Tränen. In dem Moment wusste ich: Ich möchte etwas für diese Kinder tun. Zurück in Hamburg, haben wir Geld gesammelt. Bei Freunden, Kollegen. Am Ende konnten wir Siri 12000 Euro überweisen. Inzwischen ist die Schule wieder komplett aufgebaut. Siri schickt mir bis heute Fotos von Klassenfesten und Schulaufführungen.
In Toulouse mit der Pflegetochter
Susanne Waldsleben
Mit Kinderaugen die Welt neu sehen
Eigentlich ist das kein Kinderurlaub“, raunte mein Mann als wir im Flieger nach Toulouse saßen. Wir waren auf dem Weg zu den Ausläufern der Pyrenäen, ins mystische Katharer-Land südlich von Foix mit seinen alten Trutzburgen, wo sich im Mittelalter die Letzten der Katharer-Sekte verschanzt hatten. Darüber wollte ich (Susanne Walsleben) einen Roman schreiben. Ein Kinderurlaub mag anders aussehen, aber unsere achtjährige Pflegetochter Yvonne war bei uns eingezogen, und wir fuhren zu dritt nach Montségur. Yvonne war noch nie aus Hamburg herausgekommen, hielt jedes Gewässer für die Elbe, konnte nicht fassen, dass keiner Deutsch sprach. Doch aus den Burgen machte sie Prinzessinnenschlösser, ihre Augen leuchteten, wenn sie sich etwas über die Ruinen ausdachte. Mein Roman ist nie fertig geworden, aber Yvonnes Geschichten habe ich aufgeschrieben.
Liebe in Apulien
Katja Büllmann, 41, und Vittorio, 43
Bei dieser Reise begriff ich: Für Vittorio bin ich bereit, nach Italien zu ziehen
Komm zurück nach Apulien, ich zeig dir die Gegend“, sagte Vittorio am Telefon. Wir hatten uns kurz zuvor in dem süditalienischen Hotel kennengelernt, das er managt. Außer gemeinsamem Cappuccinotrinken war nichts passiert. Und jetzt dieser Anruf nach Deutschland. Was war das? Was genau wollte er von mir? Ich (Katja Büllmann, 41) weiß nicht warum, aber ich ließ mich aufs Abenteuer ein, mit einem mir fast unbekannten Mann Urlaub zu machen. In München fielen Herbstblätter auf die regennassen Straßen, ich setzte mich in den Flieger nach Bari. Mit einem hellblauen Cinquecento fuhren Vittorio und ich von Castel del Monte im Norden bis in die Ebenen des Salento im Absatz des Stiefels. Spazierten durch die Altstadt von Otranto, aßen an der Hafenpromenade von Gallipoli zu Mittag. In Lecce tanzten wir bis in den Morgen.
Ich fühlte mich geborgen an seiner Seite. Wir unterhielten uns auf Englisch, aber ich liebte es, wenn er mit Freunden Italienisch sprach, seine Stimme ist dunkel, tief, zugewandt. Damals schrieb ich an einem Buch. Es heißt „Mit einer Reise fing alles an“ und er zählt von Frauen, die im Urlaub Unerwartetes erleben. Verrückt, ich steckte gerade selbst in so einer Geschichte. Und war neugierig, wie es weitergeht, spielte auf volles Risiko: Nach unserem Trip löste ich meine Wohnung auf und mietete ein Zimmer in der Altstadt von Monopoli. Das Buch konnte ich genau sogut dort schreiben. Das war vor drei Jahren. Wenn wir heute zusammen sind, reden wir, schweigen wir, essen wir. Alles ist intensiv – wie von Anfang an.
