RSV bei Älteren: „Ein unterschätztes Problem“, warnt Infektiologe

In der kalten Jahreszeit achten viele ältere Menschen besonders auf ihre Gesundheit. COVID-19 und Grippe stehen dabei oft im Fokus, doch ein weiteres Virus verdient ebenso Aufmerksamkeit: das Respiratorische Synzytial-Virus, kurz RSV. Lange Zeit lediglich als Kinderkrankheit betrachtet, birgt es auch erhebliche Risiken für ältere und vorerkrankte Erwachsene. Prof. Dr. Thomas Weinke, Facharzt für Innere Medizin, Gastroenterologie, Infektiologie und Tropenmedizin, erklärt, warum RSV ernst genommen werden sollte und welche neuen Schutzmöglichkeiten es gibt.

RSV bei Älteren - Spritze für Impfung
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Das Risiko wurde lange Zeit unterschätzt

„Das Problem RSV wurde bei den Älteren lange Zeit unterschätzt. Wir hatten das Risiko nicht so richtig auf dem Schirm“, erklärt Prof. Weinke. Lange Zeit sei RSV hauptsächlich als Gefahr für Säuglinge und Kleinkinder betrachtet worden. Diese könnten zwar schwer erkranken und müssten im Krankenhaus behandelt werden, aber „versterben deutlich seltener als die älteren Menschen.“ In der Tat erkennen Mediziner nun, dass das Virus bei älteren Menschen mit und ohne Grunderkrankungen schwere Atemwegsinfektionen verursachen kann, die oft intensivmedizinische Maßnahmen erforderlich machen. Das Risiko, dann an einer solchen Infektion zu versterben, liegt bei Menschen ab 60 Jahren zwischen acht und zehn Prozent, je nachdem ob eine Grunderkrankung vorliegt oder nicht. Es ist daher an der Zeit, RSV als gesundheitliche Bedrohung für die älteren Generationen anzuerkennen: „Wir wissen, dass schwere Infektionen gerade bei den Älteren ein viel stärkeres Problem sind“, so Weinke.

Durchgemachte Infektion schützt nicht

Ein weitverbreiteter Irrglaube ist, dass eine überstandene Infektion vor erneuten Ansteckungen schützt. Der Experte warnt: „Eine Infektion mit dem Virus führt zu keiner dauerhaften Immunität, also zu keinem anhaltenden Schutz vor weiteren Infektionen.“ Ähnlich wie bei anderen Atemwegsviren, zum Beispiel der Grippe, können Menschen, unabhängig vom Alter, immer wieder an RSV erkranken. Dies gilt nicht nur für kleine Kinder, die „innerhalb der ersten zwei Lebensjahre mehrfach RSV-Infektionen durchleben“, ergänzt Prof. Weinke, sondern insbesondere für ältere Menschen. „Selbst kurz nach einem überstandenen Infekt kann eine erneute Infektion auftreten.“ Das Problem bei wiederkehrenden Infekten mit RSV: Bei Menschen mit einer bestehenden Lungenerkrankung wie Asthma oder chronisch obstruktiven Lungenerkrankung könne sich die Erkrankung in der Folge verschlechtern. „Eine 65-jährige Patientin mit der chronischen Lungenerkrankung Asthma kann infolge einer RSV-Infektion zum Beispiel langfristig vermehrt unter Asthmaepisoden leiden. Das bedeutet, dass im Alltag häufiger Phasen von Luftnot auftreten. Das sind sehr unangenehme Situationen, die die Lebensqualität einschränken und den Bewegungsradius der Betroffenen erheblich einschränken können“, warnt der Professor. Ein Teufelskreis. 

Ältere gesunde Menschen
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RSV-Impfung schützt vor Erkrankung und schwerem Verlauf

Eine der vielversprechendsten Entwicklungen in der medizinischen Vorsorge ist die von der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts nun empfohlene RSV-Impfung für ältere Erwachsene. „Ich bin sehr erleichtert, dass es jetzt auch für ältere Menschen die Möglichkeit gibt, sich mithilfe einer Impfung vor schweren Krankheitsverläufen zu schützen“, betont der Experte hoffnungsvoll. Man wisse, dass die Effektivität, schwere Verläufe, Todesfälle und stationäre Aufnahmen zu verhindern, bei etwa 80 Prozent liege. Das sei eine sehr gute Schutzrate. „Wenn jährlich etwa 2.000 Menschen in Deutschland versterben und im Idealfall 80 Prozent dieser Todesfälle verhindert werden, wäre das eine erhebliche Zahl“, rechnet Prof. Weinke vor. Diese Chance solle die Gesellschaft auf alle Fälle nutzen. Er setzt nach: „Die RSV-Impfung ist die derzeit beste Maßnahme, um sich vor schweren Krankheitsverläufen zu schützen.“ 

Die STIKO empfiehlt sie für Menschen ab 75 Jahren und Personen im Alter von 60 bis 74 Jahren, die mit einer schweren Grunderkrankung oder in einer Pflegeeinrichtung leben. Bei Personen aus den genannten Gruppen tragen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten. 

Quellen

Cdc.gov, “About RSV”. Verfügbar unter: https://www.cdc.gov/rsv/about/index.html Zugriff: Februar 2025

Bundesgesundheitsministerium.de, “Fragen und Antworten zur RSV-Impfung für Erwachsene”. Verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/impfungen/schutz-vor-rsv-infektionen/rsv-impfung-erwachsene.html Zugriff: Februar 2025

Nguyen-Van-Tam JS, et al. Eur Respir Rev. 2022 Nov 16;31(166):220105

Papi A, et al. N Engl J Med. 2023 Feb 16;388(7):595-608.

Tenenbaum T, et al. Dtsch Arztebl Int 2024; 121: 303-12