
Seit Wochen steht sie in der Ecke und verhöhnt mich: meine pinke Yogamatte. Immer wenn ich am Morgen aufwache, weil mein Rücken zwickt, sieht sie ihre Zeit gekommen. Gut, dass PVC geduldig ist. Nur ich verliere langsam die Beherrschung. Wann ziehe ich den Vorsatz „tägliche Rückenübungen“ endlich durch? Aus Verzweiflung suche ich mir Leidensgenossinnen und gründe eine WhatsApp-Gruppe. Mitgehangen, mitgefangen, denke ich. Seitdem schickt jede ein glückliches Emoji, sobald sie die kleine Sporteinheit absolviert hat – und meine Yogamatte und ich kommen wieder gut miteinander aus. Lernforscherin und Motivationsexpertin Professorin Dr. Michaela Brohm- Badry (56) wundert das nicht. In unserem Interview verrät sie, wie wir am besten durchhalten.

Frau Brohm-Badry, warum war diese WhatsApp-Gruppe meine Rettung?
Es gibt Motivationsforscher, die davon ausgehen, dass das Wich tigste für einen Menschen, der sich oder etwas bewegen will, sein Umfeld ist. Wenn wir Partner oder Freunde um uns haben, die uns positiv bestärken und Energie geben, fällt es leichter, selbst voller Energie zu sein. In den USA sind sogenannte Mastermind-Gruppen gerade ziemlich angesagt. Da treffen sich Menschen mit verschiedenen Ideen und Vorhaben und unterstützen sich gegenseitig bei der Zielerreichung.
Wieso ist Motivation so wichtig?
Motivation kommt vom lateinischen „movere“ und bedeutet so viel wie „sich bewegen“. Motivation ist DIE positive Lebensenergie, die uns dazu befähigt, Handlungen zu vollbringen, Projekte und Ideen zu verfolgen – also anzufangen, dranzubleiben und abzuschließen.
Verspürt jeder Mensch die gleiche Motivation?
Jeder möchte wachsen, das treibt ihn an. Was ihn motiviert, ist aber sehr individuell. Wir sprechen von drei großen Motiven: Es gibt diejenigen, die so zial anschlussmotiviert sind. Sie handeln, damit sie in der Gemeinschaft akzeptiert, wert geschätzt und geliebt werden. Dann gibt es diejenigen, die aus einem Machtmotiv heraus handeln. Sie wollen führen, Projekte gestalten und sich durchsetzen. Die dritte Gruppe hingegen ist sehr stark leistungsmotiviert und will besser sein, als sie gestern noch war, sich selbst also stetig weiterentwickeln.
Inwieweit kann uns diese Einordnung helfen?
Man sollte seine Vorsätze an seine Motive anpassen. Sich also fragen: Warum will ich mehr Sport treiben? Damit ich attraktiver bin oder mit anderen beim Sport zusammen sein kann? Das wäre typisch an schlussmotiviert. Oder weil ich besser sein will als meine Konkurrentin? Das wäre dann ein Machtmotiv. Vielleicht stei gert das neue Wohlbefinden aber auch meine Leistungsfähigkeit, man möchte etwas dabei lernen? Dann sind wir bei Typ drei. Es ist also essenziell, das "Warum" zu klären, um motiviert bei der Sache zu bleiben.
Warum fällt uns das oft schwer?
Wir machen langfristig nur Dinge, die wir innerlich wertschätzen, für sehr wichtig halten. An denen bleiben wir langfristig dran. Wir sollten bei gesteckten Zielen also versuchen, die Wichtigkeit für uns zu erhöhen. Und wir verleihen Dingen mehr Gewicht, indem wir die Aufmerksamkeit darauf richten, uns mit ihnen intensiv beschäftigen, sie häufiger tun.
Was kann mir dabei helfen?
Bei Vorsätzen geht es darum, eine Vorstellung von einer positiven Zukunft zu haben. Daher ist es ganz gut, sich in Gedanken ein Bild von dem zu machen, wo wir hinwollen. Außerdem sind Erfolgserlebnisse enorm wichtig. Sie führen zu positiven Erwartungen hinsichtlich unserer eigenen Wirksamkeit und zu positiven Gefühlen. Daraus resultiert eine Offenheit des Geistes. Wir spüren, was alles möglich ist.
Wie ist es mit Zielen, die mich nicht unmittelbar betreffen, wie die Natur zu schützen. Ist es schwieriger, solche zu erreichen?
Im Gegenteil. Das ist die höchste Sinnkategorie, die ein Mensch haben kann: etwas beitragen zum großen Ganzen, zum Erhalt der Welt, zur Verbesserung der Gesellschaft. Wenn wir das Bewusstsein haben, dass das, was wir tun, weit über uns hinausgeht, verschafft uns das ein starkes Sinnerleben. Warum fällt es uns so schwer, etwa auf Plastik zu verzichten? Eine Sache fehlt oft bei den Zielen für das große Ganze – das ist die Rückmeldung, dass das, was wir tun, auch wirklich Folgen hat und funktioniert. Wir erleben selten, dass wir als einzelner Mensch Fortschritte machen. Deswegen wäre es auch wichtig für die Politik oder Umweltorganisationen, Rückmeldung zu geben, sobald sich ein Wert tatsächlich verbessert. So sehen wir die positiven Veränderungen, die wir verantworten. Und das macht uns glücklich.
