Reportage: Dämonen auf Bali

Reportage: Dämonen auf Bali

Bali, Insel der Götter, ist auch ein Paradies für dämonische Störenfriede. Zum Glück gibt es weise Männer, die sie besänftigen. Etwa mit Kokosnüssen. Ortstermin bei einem Brahmanen

maske© jalag-syndication.de
Reportage: Dämonen auf Bali

Räucherstabchen glimmen. Der Brahmane sitzt auf dem Boden, seine Besucher warten geduldig. Als ich an der Reihe bin, legt Ida Bagus Wedha sein Sanskrit- Buch weg. Obwohl ich ihm nur mein Geburtsdatum genannt habe, weis er vieles über mich. Einiges stimmt, manches bleibt vage. Doch eines lasst mich aufhorchen: „Komm wieder, zum nächsten Vollmond. Wir müssen eine Reinigungszeremonie machen! Bring drei Dämonen-Kokosnüsse mit!“ Da höre ich Putri hinter mir lachen: „Na, da muss aber einiges zu reinigen sein! Ich brauchte nur eine!“
Sie sitzt neben anderen Frauen im Hof des Brahmanen, sie stecken, flechten, schneiden, biegen und knüpfen aus Kokospalmenblattern Opferschälchen, die – mit weisen, lila und roten Blüten, mit Reis, einem Keks und Raucherstäbchen gefüllt – auf Türschwellen und Taxi- Armaturen platziert werden, vor Restaurants und Geschäften. So sollen die vielen Götter geehrt werden. Und die ebenso vielen Dämonen besänftigt.

Putri ist meine Gastgeberin – eine Woche lang wohne ich bei ihr, ihrem Mann Gus De, ihren Eltern und ihren zwei Söhnen. Der Brahmane ist der Vater von Gus De, dessen Familie zu den ältesten Dynastien Balis gehört. „Seit zwölf Generationen sind wir jetzt hier!“, sagt Gus De stolz. Seit nämlich vor mehr als 500 Jahren Ida Pranda Sakti Wawu Rauh, ein Hindupriester aus Java, nach Bali kam, blieb und eine Familie gründete. „Die Schriftrollen, die unser Vorfahre aus Java mitbrachte, verwahrt mein Onkel in seinem Haus“, erzählt Gus De.
Sie stammen aus dem Jahr 1296. Ida Pranda Sakti Wawu Rauh hat Bali den Hinduismus gebracht, den die Balinesen zur Hindu-Dharma-Religion umgeformt haben, die Hinduismus, Buddhismus, Ahnenkult und Animismus miteinander verbindet. Eine Religion, die leichtfüßig zwischen der Welt der Geister und der der Menschen hin und her springt. Die Harmonie lehrt und Respekt vor dem Leben. Die geheimnisvoll ist, schwer entzifferbar und voller Widersprüche. Eine Religion, die das Leben eines Balinesen komplett durchdringt.

Wer sieht Dämone?


Wer sieht Dämone?

Gus De wohnt in Mas, einem Dorf nahe Ubud, der alten Königsstadt im Inselinneren. Sein Heim besteht aus mehreren kleinen Häuschen, die von einer Mauer umfriedet sind. Eins davon, das Gästehaus, beziehe ich. Eine Explosion aus Schnitzwerk, Goldglanz, Farben und Formen. Unwahrscheinlich harmonisch ist es in Gus Des Haus – das liege daran, sagt er, dass das ganze Gehöft auf den Vater geeicht sei. Jeder Zentimeter – Füße, Schenkel, Speiche, Elle – des väterlichen Körpers sei beim Bau des Hauses vermessen worden, und nach diesen Größenverhältnissen habe man die Proportionen ermittelt, die Abstande zwischen den Häusern gestaltet und die Längen und Höhen von Türen und Fenstern bestimmt. Leben herrscht im Hof: In der Freiluftküche wird gebrutzelt, zwei Wochen alte Hundewelpen tapsen auf dicken Pfoten umeinander, die zwei Jungs spielen Fußball.

Wie fast alle Balinesen sind Putri und Gus De tiefgläubig. Eben kommen die weiß gekleideten kleinen Söhne aus dem Haus, auch Putri und Gus De haben sich die balinesische Festtagstracht angezogen: Wir gehen in den Tempel. Mir verschlägt es den Atem ob des Farbenrausches: Wunderschön gekleidete Frauen tragen Pyramiden aus Mangos, Papayas und Orchideenblüten auf ihren Köpfen, Kinder jagen lachend durch die ausladenden Tempelhallen, vor dem golden prunkenden Heiligtum tanzen junge Mädchen ganz versunken mit grazilen Schritten.
Auf dem Vorplatz wird Tofu frittiert, Reis in geflochtenen Taschen aus Bananenblättern gekocht und Tee mit Sirup verkauft. Und alles wird überschallt und zusammengehalten durch die Musik des Gamelan, jene obertönigen und entrückenden Xylofontöne, die nie abreißen, sich nur in Nuancen verändern und eine unglaubliche Kraft entfalten. Menschen vermitteln zwischen Dämonen und Göttern, zwischen kaja und kelod. Kaja bedeutet Richtung Berge, wo der Gunung Agung, der höchste Vulkan der Insel, aufragt. Dort ist die Sphäre des Göttlichen. Alles, was zum Meer hin ausgerichtet ist, ist kelod. Im Meer haben die Geister ihren Platz. „Aber wer sieht diese Dämonen?“, frage ich Gus De. „Ich kenne einen Schamanen, Ketut, der sieht sie, er kann sogar mit ihnen sprechen“, sagt er. Nichts wie hin!

Begegnung mit einem Schamanen


Begegnung mit einem Schamanen

Ich fahre durch die Reisterrassen ins zwei Stunden entfernte Jatiluwih und erreiche Ketuts Hof. Gänse watscheln vorbei, Hunde dösen in der Sonne, eine Katze nähert sich und starrt mich an. Endlich kommt Ketut, er entschuldigt sich für die Verspätung. Die Polizei hatte ihn um Hilfe gebeten. In Sanur, an der Küste, laufe so viel schief in letzter Zeit, dass nur Dämonen dahinterstecken können. „Ich war in diesem Polizeigebäude – da war alles voll von Dämonen!“ Wie viele? „Mehr als tausend!“ Die Polizisten waren erschüttert. Weil es in der letzten Zeit mehrere Wechsel unter den Chefs gegeben habe, sei nicht mehr mit dem nötigen Ernst geopfert und gebetet worden. Aber das wollen sie jetzt ändern. Und Ketut hat ihnen Mut gemacht, dann würde sich das Dämonenaufkommen schnell wieder normalisieren. Erleichterung beim Polizeichef.

Ketuts Haustempel strahlt jetzt im Schein der untergehenden Sonne in den Farben des Regenbogens. Toffi, das zahme Äffchen, schwingt sich auf den Rücken eines Hundes und galoppiert über den Hof. Ketut öffnet ein Fläschchen und zieht etwas Krauses hervor. „Haare, von einem Dämonen!“, flüstert er. Und beginnt mit leiser Stimme, Sutren zu singen.

Die Sphäre des Göttlichen


Die Shpäre des Göttlichen
Reisen zu den Brahmanen:

7 Übernachtungen im Gästehaus inklusive Flug und Programm ab 1210 Euro. Lotus Travel Service, München, Tel. 089/20 20 89 90, www.lotus-travel.de

Ich fahre zurück durch smaragdgrüne Reisterrassen, die wie psychedelische Kunstwerke aussehen. Reisbauern mit spitzen Hüten verlassen ihre Felder, in denen Fahnen stecken, um den guten Willen der Götter für die nächste Ernte zu beschwören. In einem Fluss baden zwei Frauen, nackt bis auf einen Sarong um die Hüfte. Wenn sie im Wasser stehen, sind sie unsichtbar, lehrt sie ihr Glaube.

Mit Wucht bricht die Dunkelheit herein, die Sphäre der Geister. Ich kehre zurück in Gus Des Hof, es ist Schlafenszeit. Vom Himmelbett sehe ich durch das offene Fenster die Schatten, die das Reisfeld in die Finsternis malt. Höre das Zirpen der Grillen, das seidige Rascheln von Blättern, das Quaken der Frösche. Eine Weihrauchfahne weht heran und die unendliche Melodie des Gamelan. Neben mir liegen die drei Dämonen- Kokosnüsse für den Brahmanen. Denn morgen ist Vollmond.

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