
Manchmal gehen ganze Postsäcke verloren. Die landen dann in der Dominikanischen Republik, weiter nordwestlich. Weil Dominica so etwas wie das bestgehütete Geheimnis der Karibik ist. Tatsächlich versteckt sich die nur 47 Kilometer lange und 26 Kilometer breite Insel unter einem dichten Regenwald. Von den nebelverschleierten Bergen rauschen Flüsse über imposante Wasserfälle in Richtung Meer. Hier, auf halbem Weg von Martinique nach Guadeloupe, ist die Karibik noch ursprünglich und unverbaut. Die Einwohner lieben die wilde Schöne. Und sie bezeichnen sich als die glücklichsten Menschen der Welt.
Hier zählen Gelassenheit und Lebensfreude
Herta Sango, um die 60, Chefin der „Sister Sea Lodge“
„Ich habe den Regenwald im Rücken, das Meer vor mir, den Fluss neben dem Haus und einen Garten voller Mangobäume, Papayas und Kokospalmen. Was will man mehr? Die Gelassenheit und Lebensfreude, die mir das alles gibt, sind Teil meines Lebensglücks. Und das habe ich vor 29 Jahren auf Dominica gefunden. Ich bin in Reutlingen, in Schwaben, aufgewachsen und habe eine Ausbildung zur Theaterschauspielerin gemacht. Aber Deutschland war mir schon immer zu eng und zu kalt, und ich habe lange nach meinem Lieblingsplatz auf der Welt gesucht. Gefunden habe ich ihn hier, an der Prince Rupert Bay bei Portsmouth an der Nordwestküste. Ich habe mir ein Stück Land gekauft und die ,Sister Sea Lodge‘ mit sechs Apartments und dem Restaurant ,Fish Bar‘ gebaut. Während der Dreharbeiten zu ,Fluch der Karibik 2‘ hat Johnny Depp oft bei mir gegessen. Aber dieser ganze Hollywood-Zirkus ist mir egal. Viel beeindruckender sind meine Nachbarn: Sie leben von der Hand in den Mund und sind trotzdem gut versorgt, weil hier jeder jedem hilft. Trotz all der Jahre: Dominica ist immer noch meine Trauminsel.“
Natur und Tourismus
Wenn die Natur die Seele berührt
Terri Henry, 32, Autorin und Bloggerin
„Mit 20 wollte ich unbedingt weg von der Insel und bin nach London gezogen. Aber ich habe mich dort nie richtig wohlgefühlt. Es fing schon beim Essen an. Noch mehr aber hat mir unser entspannter Lebensstil gefehlt. Also habe ich nach ein paar Jahren das Handtuch geworfen und bin zurück nach Dominica. Seit ich wieder da bin, genieße ich das Leben und die Natur viel mehr als früher. Ich liebe es, stundenlang durch den Regenwald bis zu einem der versteckten Wasserfälle zu wandern, Leguane zu beobachten oder einfach ganz still an einem Fluss zu sitzen. Die Natur ist mein Lebenselixier geworden – und das will ich auch meinen zwei kleinen Kindern vermitteln. Wieder in einer anonymen Großstadt zu wohnen, wo man ständig in Eile ist und mit niemandem redet, kann ich mir überhaupt nicht mehr vorstellen. Wenn man auf Dominica im Bus sitzt, plaudert man sofort mit der Person neben sich. Über meine Verbundenheit zu Natur, Mensch und Glück schreibe ich in meinem Blog ,Child of the Nature Isle‘ (www.childofnatureblog.com). Aber auch über ,Eco Parenting‘ – die Kunst, Kinder zu glücklichen Menschen zu erziehen, die im Einklang mit der Natur leben. Im Grunde also über uns Dominicaner.“
Tourismus mit Köpfchen
Nancy Atzenweiler, 36, Hotelfachfau
„Ob ich glücklich bin auf Dominica? Da kann ich ganz schnell und klar mit Ja antworten. Mein Job im ,Jungle Bay Resort‘, die Insel, die nicht zubetoniert ist, und die Menschen – mir gefällt hier einfach alles. Vom ersten Tag an habe ich mich aufgenommen gefühlt. Zwar beginnt auch hier die Arbeit im Restaurant früh um sechs. Aber niemand ist muffelig wie in Europa. Alle lächeln und sind freundlich. Miteinander genauso wie mit den Urlaubern. Man spürt sofort: Das kommt von Herzen. Toll finde ich auch, dass man auf Dominica auf sanften Tourismus setzt. Keine riesigen Bunker, keine Strände voller Menschen. Viele Hotels werden von Einheimischen geführt, und die nutzen meist Quellwasser und Windenergie und versuchen, möglichst wenig Müll zu produzieren. Deshalb ist Dominica bis heute sehr ursprünglich geblieben – und hat noch viel wilde Natur zu bieten. Ich habe alle Inseln der Region bereist, aber Dominica ist einfach die schönste. Hier erlebt man die Karibik so, wie sie früher einmal war. Fast Food ist quasi unbekannt. Man lebt von Obst und Gemüse aus dem Garten, viel Fisch und wenig Fleisch – ideal für mich als Vegetarierin. Obwohl ich große Sehnsucht nach meiner Familie in der Schweiz habe, konnte ich mich noch nicht entschließen, die Insel wieder zu verlassen.“
Familienleben und Landwirtschaft
Wo Familie und Freunde wichtig sind
Norma Alfred, 64, Besitzerin einer Blumen- und Früchtefarm
„Wenn wir wenig haben, sind wir zufrieden. Wenn wir mehr haben, teilen wir – das ist wahrscheinlich die Glücksformel von uns Dominicanern. Ich führe zusammen mit meinen Schwestern Cybil, 76, und Elizabeth, 62, unsere Farm in Eggleston, auf der schon unsere Eltern Blumen und tropische Früchte angebaut haben. In unserem kleinen Dorf im Süden lebt man noch recht traditionell. Für uns bedeutete das, nach dem Schulabschluss in den Betrieb unserer Eltern einzusteigen. Viele Leute, die so nicht aufgewachsen sind, können sich das gar nicht vorstellen. Aber ich genieße es, mit meinen Schwestern zusammenzuarbeiten. Wir drei sind sehr gläubig, wie alle hier im Ort. Die kleine Kirche von Eggleston ist das Herzstück unseres Dorfes. Jeder kennt jeden, jeder vertraut jedem, und deshalb schließt auch niemand seine Haustür ab. Wir leben hier ohne Angst und lieben unser Dorf – und unsere Nachbarn. Schließlich leben wir hier in einer Gemeinschaft. Und nicht jeder für sich allein wie in Europa. Ich glaube, dass wir alle so alt werden, weil wir diese festen Familien- und Nachbarschaftsbande haben – und ein stressfreies Leben.“
Fit und gesund bis ins hohe Alter
Stephanie Royer, 64, Bäuerin
„Wir leben auf einer gesegneten Insel. Wir sind nicht reich, aber auch nicht arm. Wir haben Freiheit, Demokratie und dann noch diese wunderschöne Landschaft mit Bergen, Wäldern und Flüssen, die nicht verschmutzt sind. Auf meiner Farm im südöstlich der Hauptstadt Roseau gelegenen Dorf Giraudel baue ich Gemüse und Blumen an. Die Erträge verkaufe ich auf dem Markt. Zusätzlich halte ich mir ein paar Schweine und Hühner und engagiere mich im Verband für Bio-Landwirtschaft und im örtlichen Blumenverein. Ob das zu viel ist für eine 64-Jährige? Nein, mit 64 bin ich auf Dominica doch fast noch ein Jungspund. Viele meiner gut 72 000 Landsleute werden ja 100 und älter. Ma Pampo, die 2003 angeblich erst im Alter von 128 Jahren starb, hält den Rekord. Wenn ich den brechen will, habe ich noch mal genauso viele Jahre vor mir wie hinter mir. Könnte ich schaffen, denn meine vier Kinder kümmern sich um mich und helfen mir, wo sie können. Und wenn ich mit meinen Enkeln an die ,Purple Turtle Beach‘ nördlich von Portsmouth gehe, merke ich, wie mich das Familienleben jung hält und glücklich macht.“
Reise-Infos
INFOS FÜR IHRE REISE
- Anreise: Die Insel wird von Europa nicht direkt angeflogen. Air France (www.airfrance.de) fliegt täglich von mehreren deutschen Flughäfen über Paris nach Guadeloupe und Martinique (ab 870 Euro). Von beiden Inseln erreicht man Dominica per Fähre (www.express-des-iles.com). Das Rückfahrtticket kostet 99,90 Euro, die Überfahrt dauert anderthalb Stunden. Oder man bucht einen Flug der karibischen Airline Liat (www.liat.com), die von Martinique und Guadeloupe täglich nach Dominica fliegt.
- Einreise: Dominica ist eine unabhängige Republik, die zum Commonwealth gehört. Deshalb benötigen Touristen zur Einreise nur einen Reisepass, der aber mindestens noch sechs Monate gültig sein muss.
- Unterkunft: Obwohl die Insel mehr Felsküste als Strände besitzt, liegen die meisten Hotels am Meer. Im ebenso exklusiven wie naturnahen „Jungle Bay Resort & Spa“ (www.junglebaydominica.com) am Point Mulâtre an der Südostküste gehören Yoga und gesunde Küche zum Konzept. Die Bungalows sind auf Stelzen in den Regenwald gesetzt, der bis zur Küste reicht. Das Doppelzimmer mit Frühstück kostet hier ab 198 US-Dollar. In Herta Sangos „Sister Sea Lodge“ (www.sistersealodge.com), in Picard Estate an der Nordwestküste gelegen, zahlt man fürs Apartment 30 bis 60 US-Dollar. Im „Fort Young Hotel“ in einem historischen Fort in der Hauptstadt Roseau (www.fortyounghotel.com) kostet das DZ ab 220 US-Dollar. Mit 70 Zimmern ist es das größte Hotel auf Dominica.
- Reisezeit: Es herrscht ganzjährig warmes tropisches Klima mit häufigen kurzen, aber heftigen Schauern. Von Februar bis Juni ist es trockener, von August bis November ist in der Karibik Hurrikan-Saison.
- Allgemeine Auskünfte: Dominica Tourist Office, Postfach 14 02 23, 70072 Stuttgart, Tel. 07 11/26 34 66 24, oder im Web unter www.DiscoverDominica.com.
